Wozu ist Gott nötig?

Gott schickte einmal seine Heiligen Freitag und Sonnabend aus, um nachzuschauen, was auf der Welt vor sich geht. So gingen die beiden Heiligen ganz früh los, als die Sonne noch nicht aufgegan-gen war.
Sie gingen und gingen und kamen in ein Dorf. Als sie in die erste Hütte schauten, erblickten sie ein großes, hübsches und gesundes Mädchen, das war schon aufgestanden, hatte sich gewaschen und gekämmt, gebetet, die Kuh gemolken, die Hütte ausgefegt, den Ofen angeheizt und, wäh-rend die Töpfe kochten, hatte sie sich hingesetzt, um zu spinnen.
Da wunderten sich die Heiligen über das arbeitsame Mädchen und gingen weiter. Sie gingen durch das Dorf und kamen auf das Feld. Auf dem Feld war es noch ganz leer, keine Menschenseele war da, nur auf einem Feld war ein junger Bur-sche, ein hübscher Bursche. Er pflügte dort schon lange, denn ihm und dem Pferd lief schon der Schweiß herunter.
Da wunderten sich die Heiligen wieder und sag-ten: „Wann ist er nur aufgestanden? Wie konnte er schon so viel pflügen?“ Sie gingen weiter, und da sahen sie die Sonne aufgehen. Unterwegs trafen sie immer mehr Leute, mal mit Pflügen und mal mit Eggen. Als die Heiligen wieder zu einem Dorf kamen, schauten sie in die Hütten, fanden aber dort nur wenige Leute, nur lauter alte Frauen.
Die Bauern waren auf den Feldern und die Bäuerinnen in den Gärten. In einer Hütte sahen die Heiligen ein großes, dickes Mädchen, das gerade die Augen geöffnet hatte. Es saß auf dem Fußboden, gähnte und reckte sich, und sein Zopf war noch ganz voll Federn, so daß es schrecklich anzusehen war.
Die Heiligen betrachteten es, wunderten sich, spuckten aus und gingen weiter. Sie gingen durch das Dorf und kamen auf das Feld. Da sahen sie unter einem Busch einen jungen Burschen liegen, der schlief und schnarchte aus Leibeskräften. Ne-ben ihm stand eine Stute vor dem Pflug und rupfte Gras. Augenblicklich hatten sie, seit sie heraus-gefahren waren, noch nicht gearbeitet, denn das Feld lag noch unberührt da. Die Heiligen sahen sich das eine Weile an, spuckten aus und gingen weiter.
Sie kamen zum lieben Gott, und dieser fragte sie: „Nun, meine lieben Knechte Freitag und Sonnabend, was habt ihr dort auf der Erde Gutes gesehen und gehört?“
Da begannen die Heiligen von den Mädchen und von den Burschen zu erzählen, und sie sagten zu Gott: „Unserer Meinung nach müßte man den guten Burschen mit dem guten Mädchen verheiraten und den faulen mit dem faulen Mädchen. Dann hätten wir zwei Paare, die zueinander passen.“
Der Herrgott aber sagte: „Dummköpfe, Dummköpfe seid ihr, wie ich sehe. Wenn ich das machen würde und sie verheiraten würde, wie ihr es mir ratet, dann würden die Menschen mich und euch vergessen. Die Arbeitsamen würden alles selbst machen und würden keinen Gott mehr brauchen, und der Faule und der Dumme würden an Gott überhaupt nicht mehr denken. Wenn ich aber den Gescheiten mit der Dummen zusammenbringe und die Dumme mit dem Gescheiten, dann werden sie mich immer anrufen. Der gescheite Bauer wird auf seine dumme Frau schauen und sagen: ‚Ach mein Gott, ach mein Gott, ich hätte mich lie-ber ertränken oder aufhängen sollen, als dich zu heiraten!’ Dann wird der gescheite Mann die dumme Frau schlagen, und sie wird weinen und zetern: ‚Hör mich an, lieber Gott, ach du mein Gott!’ Was sie auch immer sagt, sie wird immer Gott und die Heiligen erwähnen. Wenn ich aber nach eurer Weise, nach dummer Weise verfahre, dann brauchten die Menschen weder Gott noch Heilige.“

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