Es war einmal ein Schuster, der trank jeden Tag Schnaps. Seine Frau aber bat ihn: „Laß doch das Trinken! Geh zum Pfaffen beichten!“
Er dachte bei sich: Einmal muß man schon in die Kirche gehen.
So ging der Schuster in die Kirche, beichtete und machte sich wieder auf den Heimweg. Als er an der Schenke vorbeikam, hatte er große Lust, ein wenig Schnaps zu trinken. Er suchte in den Taschen nach Geld. „Hier hab’ ich ja noch ein Vierzigkopekenstück! Das kann ich vertrinken.“ Er trat in die Schenke, trank und ging wieder. Er taumelte hin und her, denn er war betrunken. Dann stürzte er in einen Graben und schlief ein.
In der Zwischenzeit hatte man dem König einen teuren Ring gestohlen, und der König hatte bekanntgegeben, daß alle Pfaffen zu ihm kommen und ihm mit Gebeten und Ratschlägen helfen sollten, die Diebe zu finden.
Da ging auch der Pfaffe, bei dem der Schuster gebeichtet hatte, zum König. Er sah den Schuster im Graben liegen.
Nun, dachte der Pfaffe bei sich, ich werde mir mit dem Schuster einen Spaß machen.
Der Pfaffe zog seine Kleidung aus und zog sie dem Schuster an. Er selbst aber schlüpfte in des Schusters Kleidung.
Als der Schuster aufwachte, erkannte er sich selbst nicht mehr. Er fragte sich: „Bin ich der Pfaffe oder nicht?“
Er dachte: Ja, ich werde einfach nach Hause gehen und meine Frau begrüßen. Wenn sie mich nicht erkennt, bin ich der Pfaffe.
Er kam nach Hause, und als seine Frau den „Pfaffen“ erblickte, begrüßte sie ihn und fragte, ob der „heilige Vater“ nicht ihren Mann in der Kirche gesehen hätte.
Der Schuster sagte, daß er ihn nicht gesehen hätte, und dachte bei sich: „Meine Frau hat mich nicht erkannt, also bin ich nicht der Schuster, sondern der Pfaffe.“
Er machte sich auf die Reise und legte sich wieder in den Graben, um noch ein wenig zu schlafen. Diesen Weg kamen aber Pfaffen aus anderen Gebieten entlang. Sie sahen den Priester im Graben liegen. Sie blieben stehen, gingen hin zu ihm und fragten: „Was ist mit dir, Kollege, bist du hin-gestürzt?“
Da sagte der Schuster: „Ja, mir ist schwindelig geworden. Da bin ich hingefallen.“
„Hast du nicht gehört, daß der König bekanntgegeben hat, daß wir alle zu ihm kommen sollen?“ sagten die Pfaffen.
„Nein, Kollegen, das habe ich nicht gehört. Ich habe es verschlafen.“
„Na, dann komm mit zum König. Hast du denn eine Bibel bei dir?“
„Nein, ich habe keine.“
Sie gaben ihm eine Bibel, setzten ihn in die Kutsche und fuhren zusammen mit ihm zum König.
Sie kamen zum König, der die Pfaffen alle in einen Saal führte. Dort begannen sie zu beten, um zu erfahren, wo der Ring sei.
Der König ging zu jedem Pfaffen, um ihm beim Beten zuzusehen. Er kam auch zu dem Schuster, der aber hielt die Bibel verkehrt herum. Der König fragte den „Pfaffen“, warum er denn so bete. Der Schuster antwortete: „Die anderen Pfaffen werden nichts herausbekommen. Ich aber werde alles er-fahren, denn ich bete nach allen vier Seiten zu Gott, sie dagegen nur nach einer Seite.“ Und er drehte die Bibel nach allen vier Seiten und betete.
Der König ging zu seinen Ministern und sagte: „Ich habe lauter kluge Pfaffen in meinem Königreich, aber einer scheint klüger als alle anderen zu sein. Er betet mit der Bibel nach allen vier Seiten.“
Die Pfaffen hörten zu beten auf und gingen zum Essen. Da sagte der Schuster zum König: „Gebt mir ein besonderes Zimmer, damit ich allein essen kann!“
Der König war einverstanden. Der Schuster ging in das Zimmer und setzte sich hin. Dann brachte man ihm das Essen. Er hob einen Finger und sagte: „Das ist der erste.“
Der Lakai stellte ihm das Essen auf den Tisch und lief davon. Er kam in die Küche und sagte: „Soll ihn die Pest holen! Er hat mich erkannt.“
Da sagte der zweite Lakai: „Mich wird er vielleicht nicht erkennen“, und ging zu dem „Pfaffen“.
Als er hinkam, sagte der Schuster: „Das ist der zweite.“
Der Lakai stellte das Essen auf den Tisch und lief davon. Er kam in die Küche und sagte: „Er weiß es doch, denn er hat zu mir gesagt: ‚Das ist der zweite.’“
Da sagten der erste und der zweite Lakai zu dem dritten: „Jetzt gehe du! Wenn er zu dir auch etwas sagt, dann gehen wir hin und bitten um Verzeihung.“
Der dritte Lakai kam zu dem „Pfaffen“, und die-ser sagte: „Das ist schon der dritte.“
Da warf der Lakai den Teller auf den Tisch und lief davon.
Schließlich kamen alle drei zu ihm und baten um Verzeihung. „Wir haben den Ring gestohlen! Bringt uns nicht ins Verderben und sagt es nicht dem König!“
Dann zeigten sie dem „Pfaffen“ des Königs Ring. Der aber fragte sie: „Habt ihr einen Trut-hahn?“
„Ja, wir haben einen schwarzen Truthahn.“
„Steckt diesen Ring in ein Stück Brot und gebt es dem Truthahn zu fressen. Dann wird der König nichts über euch erfahren.“
Die Lakaien bedankten sich bei dem „Pfaffen“ und liefen zufrieden davon.
Der „Pfaffe“ aber ging zum König und sagte: „Ich habe erfahren, wo der Ring ist.“
„Wo denn?“
„In dem schwarzen Truthahn.“
Man schlachtete den Truthahn und fand den Ring.
Da schenkte ihm der König viel Geld und machte ihn zum Oberpfaffen im Königreich.
Nun mußte der Schuster eine Messe lesen, wußte aber nicht, wie man das macht. Deshalb bat er den König, ihm zu erlauben, im Kloster zu leben. Da ließ der König den „Pfaffen“ ins Kloster gehen.
Der Schuster kehrte zu seiner Frau zurück, jetzt aber wieder ohne Pfaffenkleidung, und führte mit ihr ein Leben in Reichtum.
Wie ein Schuster Oberpfaffe wurde
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