Sagen und Erzählungen über den Partisanen Saslonow

1
Bereits in den ersten Monaten der faschistischen Okkupation, als Saslonow auf der Station Orscha arbeitete, zeigte er den sowjetischen Flugzeugen den Weg. Er wurde von einem Gestapo-Mann beobachtet, der ihm überall auf den Fersen war.
Einmal sagte Saslonow: „Ich gehe ins Bad!“ Da folgte ihm der Gestapo-Mann und stellte am Bad eine Wache von vierzig SS-Leuten auf. Im Bad verwandelte sich Saslonow in einen alten Mann, indem er sich einen Bart anklebte. Als er als Greis herauskam, erkannte ihn der Gestapo-Mann an den Augen. Saslonow hatte nämlich sehr lustige Augen. Der Faschist rannte auf ihn zu. Saslonow aber erschoß ihn und alle vierzig SS-Leute. Dann fuhr er durch die Dörfer Töpfe verkaufen, als wäre er ein Töpfer. In Wirklichkeit aber war er Kundschafter der Partisanen. Er sammelte Kampfgefährten
um sich, ging in den Wald und begann Aktionen vorzubereiten und auszuführen.
2
Nachdem Saslonow vor den Deutschen aus Orscha geflohen war, wanderte er durch Senno und Tolotschina und verkaufte Eimer. Eimer kosteten ungefähr anderthalb Pud Getreide, er aber verlangte zwei Pud, damit niemand sie kaufte. Er
wollte ja nur einen Ort für die Partisanentätigkeit
auskundschaften und wählte damals den Wald von Kupowatj.
3
Einmal kamen zwei Unbekannte in das Dorf Utrilowo, um Töpfe zu verkaufen. Da mußten sie bei meinem Bruder übernachten. Sie hatten Bastschuhe und Bauernröcke an, wie richtige Bauern.
Als im Sommer 1942 die Partisaneneinheiten bei uns entstanden, traf ich auch diese Töpfer wieder. Einer von ihnen lachte und sagte: „Erinnern Sie sich noch an die Töpfer, die bei Ihnen übernachteten?“
Ich sah hin, es war Saslonow.
4
Saslonow konnte sich auf alle erdenklichen Arten tarnen. Einmal verwandelte er sich in einen alten Großvater, das andere Mal verkleidete er sich als Bettler. Dann ging er die feindliche Garnison erkunden, und kurze Zeit darauf konnte man hören, daß wieder Okkupanten vernichtet worden waren.
Saslonow hatte seine Hand im Spiel gehabt. Als einmal unser Dorf Burbino von deutschen Soldaten umzingelt war, zog sich Saslonow als alter Großvater an, stellte sich krank und beschmierte sich mit Pech. Als die Soldaten in die Hütte kamen, nahmen sie ihn nicht fest.
5
Als Saslonow vor den Deutschen aus Orscha geflohen war, kam er im Dorf Kupowatj zu einer Hütte. Ein alter Mann kam heraus und fragte:
„Wer bist du?“
Da antwortete Onkel Kostja11: „Ich kämpfe für das Volk und will den Feind aus dem Sowjetland vertreiben!“
Der Alte bekreuzigte sich, gab ihm ein Pferd und sagte: „Reite in den Wald, grabe dir eine Erdhütte und lebe dort so lange, bis noch andere zu dir kommen. Dann gehe kämpfen!“
Saslonow ging, und die Polizisten jagten ihm nach, konnten ihn aber nicht einholen. Deshalb gingen sie zu dem Alten und fragten: „Wer war das? Ein Anführer oder was sonst?“
Der Alte aber antwortete: „Das weiß ich nicht, das weiß ich nicht!“
Da nahmen sie den Ärmsten mit und hängten ihn auf.
Saslonow aber lebte in seiner Erdhütte und sammelte gleichgesinnte Kampfgefährten um sich.
Es kamen ungefähr vierzig Mann zusammen. Mit ihnen gemeinsam zerstörte er viele Züge und brachte viele Feinde um. Wenn er die Partisanen in den Kampf führte, dann rief er: „Auf, Leute, laßt uns den Feind schlagen und vernichten!“
6
Man sagt, daß Tschapajew 1919 im Fluß Ural ertrunken
sei. Das ist aber nicht wahr, Tschapajew schwamm über den Fluß, ging zu einem alten Mann und rief: „Wo ist der Hausherr?“
Da kam der alte Mann heraus und sagte: „Wer bist du denn?“
„Ich bin Tschapajew“, sagte er.
Da sagte der alte Mann: „Hier hast du ein Schwert und ein Pferd, das Pferd bringt dich auf den Berg der unsterblichen Helden. Du wirst dort auf dem Berge wohnen, und wenn ein Krieg über die Russen kommt, kommst du vom Berge herab!“
Tschapajew setzte sich auf das Pferd und ritt davon. Die Weißgardisten waren hinter ihm her.
Sie riefen: „Wo ist der Hausherr?“
„Was wollt ihr?“ fragte der alte Mann.
„Hast du Tschapajew hier entlangreiten sehen?“
Da antwortete der Alte: „Ich habe ihn nicht gesehen.“
„Du lügst, du hast ihm ein Pferd gegeben, und er ist darauf weggeritten.“
Da hängten sie den Alten an einer Birke auf. Tschapajew aber wohnte auf dem Zauberberg hinter den Wolken.
Als 1941 die schwere Zeit des Krieges kam, ritt Tschapajew vom Berge herab nach Belorußland.
Da traf er einen Mann von gleicher Art wie er selbst. Das war der Partisan Saslonow. Tschapajew sagte zu ihm: „Jage den Feind und schlage ihn, dann bringst du dir und dem Volke Ruhm!“
Und Tschapajew sagte ihm, wie er kämpfen sollte. Saslonow rief die Eisenbahnarbeiter zusammen und begann wie Tschapajew zu kämpfen.
7
Einmal wurde im Dorfe Kupowatj gekämpft. Die deutschen Truppen waren schon ganz nahe, und den Partisanen ging die Munition aus. Da überlegte Saslonow: Wie kommen wir hier heraus? Ich selbst komme auf meinem Pferd Poryw ja überall
durch, aber ich kann doch meine Leute nicht im Stich lassen. Da beschloß er, die feindliche Umkreisung auf seinem Pferd zu durchbrechen und die Partisanen in den Wald zu führen.
Er sagte zu seinem gelehrigen Pferd Poryw:
„Ich werde mich hinlegen, schau nach, aus wieviel
Reihen die feindlichen Schützenketten bestehen!“
Dann band er die Zügel fest. Poryw stampfte mit dem Huf auf und sagte: „Gut!“
Als es dahinjagte, schossen die Deutschen nach ihm, denn sie erkannten Saslonows gelehriges Pferd. Poryws Hufe blitzten, und die Kugeln konnten ihm nichts anhaben. Es jagte dahin und sah, daß nur zwei Schützenketten da waren. Dann lief es zu Saslonow zurück und sagte ihm Bescheid.
Saslonow schwang sich auf das Pferd und ritt los, und die Partisanen folgten ihm. Die Soldaten schossen auf ihn, aber die Kugeln konnten ihm nichts anhaben. Als die Geschosse explodierten, sprang das Pferd Poryw über zehn Meter hoch,
trug Saslonow davon und führte die Partisanen in den Wald.
Dann ritt Saslonow zu dem alten Mann, der ihm das Pferd gegeben hatte. Zu den Partisanen aber sagte er: „Bleibt solange hier!“
Bald kam jedoch die Sowjetarmee, und die Partisanen vereinigten sich mit ihr.
Der Alte fragte Saslonow: „Warst du mit eingeschlossen?“
„Ja, ich war dort, und Poryw hat uns gerettet.
Das Pferd hat die Partisanen in den Wald geführt.
Die Partisanen sind im Wald, da wollte ich Euch als alter Bekannter einen Besuch abstatten, Großväterchen.“
Der Alte sagte zu Saslonow: „Geh in die Hütte, ich möchte dich bewirten!“
Die Frau des Alten briet Speck, und sie aßen und tranken zusammen.
Der Alte sagte: „Du bist müde, geh dich ausruhen!“
Er führte Poryw in den Pferdestall und brachte ihm Heu. Saslonow aber legte sich hin, um sich auszuruhen. Er blieb bei dem Alten im Walde wohnen. Der Alte geht auf Jagd, und sie wohnen jetzt, nach dem Kriege, noch immer dort.

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