Die Ziege Naseweis

Es war einmal ein Pope, der hatte viele Ziegen und hielt einen Knecht. Wie der Frühling kam, sagte der Pope:
„Knecht, treib die Ziegen auf die Weide und füttere sie gut!“
Der Knecht trieb aus; den ganzen Tag ließ er die Ziegen auf den Hügeln, in den Tälern, in den dunklen Wäldern weiden. Dann war es an der Zeit zum Heimtreiben. Die Ziegen kommen zum Tor, der Pope tritt aus dem Haus und fragt:
Nun, ihr Zicklein, nun ihr Lieben,
Seid ihr satt an Speis und Trank?
Seid ihr auf den Hügeln gewesen.
Habt ihr fettes Gras gefressen.
Habt ihr unter der Birke geruht?
Die Ziegen antworten dem Popen:
Wir sind satt an Speis und Trank:
Wir sind auf den Hügeln gewesen.
Haben fettes Gras gefressen.
Haben zarte Blätter gefunden.
Haben unter der Birke geruht.
Eine Ziege aber sagt:
Ich bin nicht satt an Speis und Trank:
Bin nicht auf den Hügeln gewesen,
Hab nicht fettes Gras gefressen,
Hab nicht zarte Blätter gefunden,
Hab nicht unter der Birke geruht!
Der Pope holte aus, schlug den Knecht und erschlug ihn.
Der Pope hatte einen Sohn. Am Morgen schickte er den Sohn hinaus. Der Sohn trieb aus; den ganzen Tag ließ er die Ziegen auf den Hügeln, in den Tälern, in den dunklen Wäldern weiden. Dann war es an der Zeit zum Heimtreiben. Die Ziegen kommen zum Tor, und der Pope fragt:
Nun, ihr Zicklein, nun ihr Lieben,
Seid ihr satt an Speis und Trank?
Seid ihr auf den Hügeln gewesen.
Habt ihr fettes Gras gefressen.
Habt ihr unter der Birke geruht?
Die Ziegen antworten:
Wir sind satt an Speis und Trank:
Wir sind auf den Hügeln gewesen,
Haben fettes Gras gefressen,
Haben zarte Blätter gefunden,
Haben unter der Birke geruht!
Ich bin nicht satt an Speis und Trank:
Bin nicht auf den Hügeln gewesen,
Hab nicht fettes Gras gefressen,
Hab nicht zarte Blätter gefunden,
Hab nicht unter der Birke geruht!
Da erschlug er den Sohn. Er hatte auch eine Tochter, die schickte er am dritten Tag, die Zie-gen zu weiden. Die Tochter trieb aus und ließ die Ziegen den ganzen Tag auf den Hügeln, in den Tälern, in den dunklen Wäldern weiden. Dann war es an der Zeit zum Heimtreiben. Die Ziegen kommen zum Tor, und der Pope fragt:
Nun, ihr Zicklein, nun ihr Lieben,
Seid ihr satt an Speis und Trank?
Seid ihr auf den Hügeln gewesen,
Habt ihr fettes Gras gefressen,
Habt ihr unter der Birke geruht?
Die Ziegen antworten:
Wir sind satt an Speis und Trank:
Wir sind auf den Hügeln gewesen,
Haben fettes Gras gefressen,
Haben zarte Blätter gefunden,
Haben unter der Birke geruht.
Die eine Ziege aber sagt:
Ich bin nicht satt an Speis und Trank:
Bin nicht auf den Hügeln gewesen,
Hab nicht fettes Gras gefressen,
Hab nicht zarte Blätter gefunden,
Hab nicht unter der Birke geruht!
Der Pope erschlug auch die Tochter. Am vierten Tag schickt er seine Popin. Die ließ die Ziegen den ganzen Tag auf den Hügeln, in den Tälern, in den dunklen Wäldern weiden. Dann war es an der Zeit zum Heimtreiben. Die Ziegen kommen zum Tor, und der Pope fragt:
Nun ihr Zicklein, nun ihr Lieben,
Seid ihr satt an Speis und Trank?
Seid ihr auf den Hügeln gewesen,
Habt ihr fettes Gras gefressen,
Habt ihr unter der Birke geruht?
Die Ziegen antworten:
Wir sind satt an Speis und Trank:
Wir sind auf den Hügeln gewesen,
Haben fettes Gras gefressen,
Haben zarte Blätter gefunden,
Haben unter der Birke geruht!
Die eine Ziege aber sagt:
Ich bin nicht satt an Speis und Trank:
Bin nicht auf den Hügeln gewesen,
Hab nicht fettes Gras gefressen,
Hab nicht zarte Blätter gefunden,
Hab nicht unter der Birke geruht!
Da war es auch um die Popin geschehen. Am fünften Tag trieb der Pope selber aus. Ließ die Ziegen den ganzen Tag auf den Hügeln, in den Tälern, in den dunklen Wäldern weiden, trat dann vor sie und fragt:
Nun, ihr Zicklein, nun ihr Lieben,
Seid ihr satt an Speis und Trank?
Seid ihr auf den Hügeln gewesen,
Habt ihr fettes Gras gefressen.
Habt ihr unter der Birke geruht?
Die Ziegen antworten:
Wir sind satt an Speis und Trank:
Wir sind auf den Hügeln gewesen,
Haben fettes Gras gefressen,
Haben zarte Blätter gefunden,
Haben unter der Birke geruht!
Die eine Ziege aber beharrt eigensinnig:
Ich bin nicht satt an Speis und Trank:
Bin nicht auf den Hügeln gewesen,
Hab nicht fettes Gras gefressen,
Hab nicht zarte Blätter gefunden,
Hab nicht unter der Birke geruht!
Der Pope packte die Ziege und zog ihr das hal-be Fell ab. Sie riß sich los und rannte aufs Feld, zur Zieselmaus ins Loch. Die Zieselmaus erschrak,
floh aus ihrem Loch und brachte die Nacht im Freien zu. Da sitzt sie nun und jammert. Kommt der schiefäugige Hase:
„Warum jammerst du, Zieselmaus?“
„Es ist jemand in meinem Loch!“
Tritt der Hase ans Loch:
„Wer ist in der Zieselmaus Loch?“
„Ich, die Ziege Naseweis, voller Wunden, halb geschunden, Schielaug, wart, ich komm’ heraus, reift dein andres Aug dir aus!“
Der Hase verschwand – hast du nicht gesehen – im Wald. Kommt der Wolf:
„Warum jammerst du, Zieselmaus?“
„Es ist jemand in meinem Loch!“
Tritt der Wolf ans Loch:
„Wer ist in der Zieselmaus Loch?“
„Ich, die Ziege Naseweis, voller Wunden, halb geschunden, warte nur, ich komm’ heraus, reiße dir die Augen aus!“
Der Wolf verschwand im Wald: er hatte Angst. Kommt der Bär:
„Warum jammerst du, Zieselmaus?“
„Es ist jemand in meinem Loch!“
Der Bär tritt ans Loch und fragt:
„Wer ist dort?“
„Ich, die Ziege Naseweis, voller Wunden, halb geschunden; warte nur, ich komm’ heraus, reiße dir die Augen aus!“
Der Bär erschrak und floh in den Wald. Kommt der Igel gekrochen:
„Warum jammerst du, Zieselmaus?“
„Weil jemand in meinem Loch ist!“
Kroch der Igel zum Loch und fragt:
„Wer ist dort?“
„Ich, die Ziege Naseweis, voller Wunden, halb geschunden; warte nur, ich komm’ heraus, reiße dir die Augen aus!“
Der Igel aber rollte sich wie ein Stein zusammen, sprang kopfüber ins Loch hinein und fiel ihr gerade mit den Stacheln in die nackte Seite! Die Ziege kletterte aus dem Loch und floh in den Wald.
Die eine Ziege sagt:

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