In einem Dorf lebte einmal ein Waisenknabe, der bei der Großmutter großgezogen wurde. Er wuchs heran, und als er achtzehn Jahre alt war, wurde im Dorf eine Kirche gebaut. Nach Sonnenunter-gang konnte man jedoch nicht mehr hineingehen, weil die Teufel ihr Unwesen darin trieben und die Menschen töteten.
Dem Popen gefiel das gar nicht, denn die Kirche war ja sein Brot. Da sagte er: „Wer drei Tage in dieser Kirche übernachtet, der bekommt von mir fünfhundert Rubel!“
Der Waisenknabe war bereit, für fünfhundert Rubel in der Kirche zu übernachten. Er kam nach Hause und sagte dies seiner Großmutter. Da sagte sie: „Du hast schlecht daran getan, dich bereit-zuerklären. Aber ich gebe dir einen Rat. Nimm einen Sack Leinsamen mit, wenn du dorthin übernachten gehst! Leg um dich Kohlen herum und schütte die Samen in die Kirche und sage niemandem etwas! Wenn jemand sagt: ‚Laß mich hinein!’ dann sage: ‚Nein, ich lasse dich nicht herein!’ Aber wenn du die Worte hörst: ‚Dann komme ich von selbst hinein!’ dann sage: ‚Komm doch!’“
Er setzte sich in die Kirche und begann das Evangelium von rechts nach links zu lesen. (So hatte es ihn die Großmutter geheißen.) Es war kaum Abend geworden, da erzitterte das ganze Gebäude. Er hörte eine Stimme: „Laß mich hinein!“
„Nein, ich lasse dich nicht herein!“
Das ging dreimal so. „Laß mich hinein!“
„Nein, ich lasse dich nicht herein!“
Dann sagte die Stimme: „Dann komme ich von selbst hinein!“
„Komm doch!“
Da kam eine schwarze Kuh herein. Aus ihren Nüstern kam Feuer, sie leckte die Samen auf und lief durch die ganze Kirche. Nun, sie leckte und leckte, leckte aber nicht alles auf. Da krähte der Hahn, und die Kuh verschwand.
Da nahm der Waisenknabe Machorka und begann in der Kirche zu rauchen. Wer sollte ihn schon nicht rauchen lassen? Die Heiligen schwiegen ja. Er rauchte, denn er hatte Angst. Der Kü-ster kam und sah, daß er noch lebte. Er ließ ihn heraus.
In der zweiten Nacht bereitete ihm die Groß-mutter Leinsamen zu und sagte, daß er sie in der ganzen Kirche verstreuen solle, auch hinter die Altartüren und die Kragen der Heiligen, wo es ge-rade hinfiele.
Um Mitternacht kam wieder ein Sturm auf. Die Fenster klirrten. Das Gebäude erzitterte. Wieder war eine Stimme zu hören: „Laß mich hinein!“
„Ich lasse dich nicht herein!“
„Laß mich hinein!“
„Ich lasse dich nicht herein!“
„Laß mich hinein!“
„Ich lasse dich nicht herein!“
„Dann komme ich von selbst!“
„Komm doch!“
Da kam eine schwarze Kuh mit weißen Flecken herein. Aus ihrem Mund schlugen Flammen. Sie sammelte die Samen, sammelte sie aber nicht alle auf, denn als der Hahn krähte, mußte sie ver-schwinden.
In der dritten Nacht machte ihm die Großmutter einen Sack Mohn zurecht. Den streute der Junge wieder in der Kirche aus. In der zwölften Stunde, um Mitternacht, begann wieder der Sturm. Die Türen zitterten, und die Fenster klirrten. Furcht-bar! Da schrie eine Stimme: „Mach auf!“
„Nein!“
„Mach auf!“
„Nein, ich mache nicht auf!“
„Mach auf!“
„Nein, ich lasse dich nicht herein!“
„Dann komme ich von selbst hinein!“
„Komm doch!“
Da kam eine weiße Kuh. Aus ihren Nüstern schlug eine Flamme. Sie leckte alle Samen auf und ging um den jungen Burschen herum. Sie kam mit den Hörnern auf ihn zu.
Da packte er sie mit der linken Hand an einem Hörn und schwang sich schnell auf den Rücken der Kuh. Er hörte eine Stimme: „Schau nach rechts.“
Er schaute hin und sah, daß er ein nacktes Mädchen an den Haaren hielt (anstelle der Hörner) und daß er nicht mehr auf der Kuh, sondern auf der Erde saß. Als der Junge sah, daß das Mäd-chen nackt war, wickelte er es in eine Rolle ein. Dann sagte er (es war schon Morgen): „Komm mit mir nach Hause und werde meine Frau. Du mußt dich doch anziehen!“
Sie antwortete: „Das soll geschehen.“
Sie hatte ein Taschentuch bei sich, und als sie damit winkte, war sie gleich angezogen, und auch er hatte einen Anzug an. Sie waren hübsch angezogen, wie Braut und Bräutigam erster Klasse.
Sie winkte noch einmal mit dem Tüchlein, da war alles für die Hochzeit bereit. Ein ganzer Zug von Kutschen mit Pferden der gleichen Rasse stand vor der Kirche, und aus den Kutschen stiegen die Brautführer. Alle einundvierzig mit Schär-pe!
Als der Küster die Kirche öffnete, verlangten die beiden nach dem Popen, damit sie getraut würden. Der Pope kam erstaunt angelaufen und traute sie. Sofort nach der Trauung setzten sie sich in die Kutsche und waren augenblicklich zu Hause. Zu Hause aber hatten sich alle aus dem Staub gemacht. Nichts war da, weder zu trinken noch zu essen. Da sagte sie gleich: „Schicke die Großmutter in die Kammer, dort gibt es zu trinken und zu essen.“
Oho, die Kammer war voll von den verschiedensten Getränken und Speisen!
Als die Hochzeit vorbei war, mußten die Jung-vermählten wirtschaften, aber sie hatten ja nichts (noch nicht einmal eine Kuh), nur ein kleines Stückchen Feld. Sie kauften eine Kuh für die fünfhundert Rubel, die ihnen der Pope gegeben hatte. Sie säten Getreide, und es wuchs bei ihnen besser als bei den wohlhabendsten Bauern. Die junge Frau arbeitete für vier, und der junge Mann schaffte es kaum, so schnell das Getreide zu bin-den.
Als sie einmal auf dem Feld arbeiteten, krächzte oben eine Krähe: „Kräh, kräh.“
Da fragte er: „Was zum Teufel fliegt dort oben und weicht uns nicht von der Seite? Kommt vielleicht Regen?“
Seine Frau antwortete: „Das ist keine Krähe, sondern meine Schwester.“
„Was will sie denn?“
„Sie lädt uns zur Hochzeit ein. Ich bin die jüng-ste Schwester, und sie ist die mittlere und wird jetzt heiraten.“
„Wo wohnt sie denn? Wir haben doch kein Pferd?“
„Sie wohnt hinter dreimal neun Ländern.“
„Und wie kommen wir dorthin?“
„Wir reiten mit dem Pferd dorthin.“
Da kam der Abend. Als sie mit dem Tuch wink-te, bekamen sie Kleidung, in der sie zur Hochzeit fahren konnten. Eine ganze Ausstattung! Als sie sich angezogen hatte, ging sie auf den Hof und winkte wieder mit dem Tuch, da stand auf dem Hof eine Kutsche mit so einem weißen Pferd, wie das meine dort1, aber das war ein richtiger Traberhengst.
Die Frau sagte: „Zieh dich schnell an, wir set-zen uns in die Kutsche! Wenn wir zur Hochzeit kommen, wird dir meine älteste Schwester entge-genkommen, die, die sich in eine schwarze Kuh verwandelt hatte. Sie wird sich bei dir rächen wol-len. Sie wird dir eine gebackene Natter statt Wurst und Gift statt Wein bringen. Nimm du nichts an, erst wenn du am Tisch sitzt, kannst du dich sattessen!“
(Die älteste Schwester war nicht hübsch, die jüngste war die hübscheste.)
Als sie so dahinrasten, riß ihm der Wind die Mütze vom Kopf, und kaum hatte er gesagt: „Der Wind hat mir die Mütze vom Kopf gerissen“, da waren sie schon fünfzehntausend Kilometer von dieser Stelle entfernt. So schnell zog der weiße Hengst.
Als sie ankamen, kam ihnen die älteste Schwe-ster auf der Schwelle mit einem Krug Wein und etwas zu essen entgegen. Er nahm nichts. Sie setzten sich an den Tisch und tranken soviel sie wollten. Auf der Hochzeit waren nur Teufel anwe-send. Nur der Bauer war kein Teufel. Als die Teu-fel vom Tisch aufstanden, schmierten sie sich Pomade aus einem Topf in der Ecke auf die Stirn.
Dann setzten sie sich auf einen Feuerhaken und flogen durch den Kamin davon.
Der Bauer schaute betrunken auf seine Ver-wandten und sagte: „Soll ich nun auch so fliegen?“
Er schmierte sich die Stirn ein, setzte sich auf einen Feuerhaken und flog durch den Kamin da-von. Er flog ins Moor, auf eine trockene Espe, ganz auf die Spitze. Die Espe schwankte hin und her, brach ab und fiel um. Da mußte sogar ein Be-trunkener nüchtern werden. Seine Frau aber suchte wo ihr Mann war. Als sie ihn unter der Es-pe erblickte, winkte sie mit dem Tuch, und er war wieder auf einer trockenen Stelle. Sie nahm ein anderes Tuch heraus, verband ihm die Augen, und er war wieder am Tisch auf der Hochzeit bei denselben Getränken und Speisen.
Sie sagte zu ihm: „Wenn wir nach Hause fah-ren, wird mein Vater dich fragen, was er dir als Mitgift geben soll. Dann sage: ‚Gib mir Kohle für die Schmiede und Felle, um einen Sack zu nähen!’ Die Kohlen sind Gold, und die Felle sindBanknoten. Aber was er dir als Gold gibt, wird zu Pferdeeiter, und die Banknoten werden zu Listen der sündigen Menschen, die gestorben sind.“
So fuhren sie wieder mit dem weißen Traberhengst nach Hause. Die Frau sagte zu ihrem Mann, daß er die Liste unterwegs auf den Gräbern wegwerfen solle. Als er das getan hatte, kamen die Menschen aus den Gräbern (die sündigen See-len) und erwiesen ihm die Ehre. Auf der Liste standen die Sünder für das Fegefeuer, jetzt waren die armen Seelen von der Teufelsherrschaft befreit.
Der Mann kam mit seiner Frau zu seiner Hütte. Sie schütteten die Kohlen in einen Sack, und die Kohlen wurden zu Gold und das Fell zu Papiergeld. Und so lebten sie zusammen, einträchtig und in Wohlstand.
Die Teufelsfrau
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