Die Froschzarin

In alten Zeiten, es ist schon lange her, hatte ein Zar drei Söhne – alle waren schon erwachsen. Der Zar sagt: „Kinder! Macht euch jeder eine Armbrust und schießt: welche Frau den Pfeil bringt, die soll die Braut sein; wenn ihn niemand bringt, dann heißt das, der soll nicht heiraten.“ Der älte-ste Sohn schoß, den Pfeil brachte eine Fürstentochter; der mittlere schoß, den Pfeil brachte eine Generalstochter; aber dem kleinen Iwan-Zarewitsch brachte den Pfeil aus dem Sumpf ein Frosch in seinen Zähnen zurück. Jene Brüder wa-ren lustig und guter Dinge, Iwan-Zarewitsch aber versank in Trübsinn und begann zu weinen: „Wie soll ich mit einem Frosch zusammenleben? Ein Leben leben – das ist mehr als einen Fluß zu durchwaten oder ein Feld zu überqueren!“ Er weinte und weinte, aber es war nichts zu machen – er nahm den Frosch zur Frau. Sie wurden alle nach dem dortigen Brauch getraut; den Frosch trugen sie auf einem Teller.
So leben sie nun. Der Zar wollte einmal an Geschenken von seinen Schwiegertöchtern sehen, welche von ihnen die geschickteste ist. Er erließ einen Befehl, die Schwiegertöchter sollen ein Hemd nähen und ihm bringen, um zu zeigen, welche am besten nähen kann. Iwan-Zarewitsch versank wieder in Nachdenken und weint: „Was wird nur mein Frosch machen! Alle werden spotten.“ Der Frosch kriecht über den Fußboden und quakt nur. Als Iwan-Zarewitsch eingeschlafen ist, ging er vors Haus, warf seine Haut ab, wurde zu einem schönen Mädchen und rief: „Ihr Ammen und Zauberinnen! Macht das und das!“ Die Zauberammen brachten auf der Stelle ein Hemd allerbester Arbeit. Sie nahm es, rollte es zusammen und legte es neben Iwan-Zarewitsch; sie selber aber wurde wieder zu einem Frosch, als wäre gar nichts ge-wesen! Iwan-Zarewitsch wachte auf, freute sich, nahm das Hemd und trug es zum Zaren. Der Zar nahm’s und betrachtete es: „Ja, das ist ein Hemd – das kann man am Ostersonntag anziehen!“ Der mittlere Bruder brachte ein Hemd; der Zar sagte: „Nur im Bad kann man darin gehen!“ Und vom ältesten Bruder nahm er das Hemd und sagte: „In einer Bauernhütte kann man es tragen!“ Die Zarensöhne gingen auseinander; die zwei aber reden untereinander: „Nein, wir haben gewiß um-sonst über die Frau Iwan-Zarewitschs gespottet; sie ist kein Frosch, sondern irgendeine ganz Schlaue!“
Der Zar gibt wieder einen Befehl, die Schwiegertöchter sollen Brot backen und ihm bringen, um zu zeigen, welche am besten backen kann. Jene Schwiegertöchter hatten zuerst über den Frosch gespottet, jetzt aber, da die Zeit herankam, schickten sie ihre Kammerzofe, heimlich zu sehen, wie sie backen würde. Der Frosch merkte das aber, rührte kurzerhand den Teig an, rollte ihn, meißelte den Ofen oben auf und schüttete den Teig geradewegs dorthinein. Die Kammerzofe sah’s, lief davon, erzählte es ihren Herrinnen, den Schwiegertöchtern des Zaren, und die machten es genauso.
Aber der Frosch hatte sie nur genasführt; er kratzte alles sogleich wieder aus dem Ofen, machte ihn sauber, verschmierte ihn, als wäre gar nichts gewesen, ging auf die Schloßtreppe, schlüpfte aus seiner Haut und rief: „Ihr Ammen und Zauberinnen! Backt mir sogleich solche Brote, wie sie mein Vater nur an Sonn- und Feiertagen gegessen hat.“ Die Zauberammen brachten das Brot sogleich angeschleppt. Sie nahm es, legte es neben Iwan-Zarewitsch und wurde wieder zu ei-nem Frosch. Iwan-Zarewitsch wachte auf, nahm das Brot und trug es zu seinem Vater. Der Vater war gerade dabei, die Brote von den älteren Brü-dern entgegenzunehmen; ihre Frauen hatten die Brote genauso in den Ofen geworfen wie der Frosch, und daher war bei ihnen ein schreckliches Zeug herausgekommen.
Der Zar nahm zuerst das Brot vom ältesten Sohn, sah es an und schickte es in die Küche; vom mittleren nahm er’s und schickte es eben-dorthin. Nun war Iwan-Zarewitsch an der Reihe; er reichte sein Brot hin. Der Vater nahm’s, sah es an und sagt: „Das ist ein Brot, am Ostersonntag zu essen! Nicht so eines wie bei den älteren Schwiegertöchtern, mit Schliff!“
Danach gefiel es dem Zaren, einen Ball zu veranstalten, um zu sehen, welche von seinen Schwiegertöchtern am besten tanzen kann. Alle Gäste und Schwiegertöchter waren versammelt bis auf Iwan-Zarewitsch; der überlegte: wohin soll ich mit dem Frosch fahren? Und unser Iwan-Zarewitsch schluchzte laut auf. Da sagt der Frosch zu ihm: „Weine nicht, Iwan-Zarewitsch! Geh nur zum Ball. Ich werde in einer Stunde dasein.“ Iwan-Zarewitsch freute sich ein wenig, als er hör-te, daß der Frosch sprechen kann; er fuhr davon, der Frosch aber ging, warf seine Haut ab und zog sich ganz wunderbar an! Er kommt auf den Ball; Iwan-Zarewitsch freute sich, und alle klatschten in die Hände: was für eine Schönheit! Sie begannen zu essen; die Zarin nagte immer ein Knöchelchen ab – und in den Ärmel damit, trank etwas – und den Rest in den anderen Ärmel. Jene Schwieger-töchter sehen, was sie tut, und sie stecken sich die Knochen auch in die Ärmel, trinken etwas, und den Rest schütten sie in die Ärmel. Dann kam das Tanzen an die Reihe; der Zar schickt seine älteren Schwiegertöchter, aber die schieben den Frosch vor. Der faßte sogleich Iwan-Zarewitsch an und ging; und er tanzte und tanzte, drehte und drehte sich – alle waren starr! Er schwenkte den rechten Arm – da entstanden Wälder und Gewässer, schwenkte den linken – da flogen verschiedenar-tige Vögel heraus. Alle verwunderten sich. Als er zu tanzen aufhörte, war nichts davon mehr da. Die anderen Schwiegertöchter gingen tanzen und wollten es genauso machen: die eine schwenkt den rechten Arm, da fliegen die Knochen nur so heraus, und mitten unter die Leute, aus dem linken Ärmel spritzt Wasser heraus, ebenfalls mitten unter die Leute. Dem Zar mißfiel das, und er schrie: „Genug, genug!“ Die Schwiegertöchter hörten auf. Der Ball ging dem Ende zu. Iwan-Zarewitsch fuhr voraus, fand dort irgendwo die Haut seiner Frau, nahm sie und verbrannte sie. Sie kommt, vermißt die Haut: nicht da! – ver-brannt. Sie legte sich mit Iwan-Zarewitsch schla-fen; vor Morgengrauen sagt sie zu ihm: „Nun, Iwan-Zarewitsch! Ganz hast du es nicht ausgehal-ten; ich wäre die deine gewesen, aber jetzt – das weiß nur Gott. Leb wohl! Suche mich hinter drei-mal neun Ländern, im dreimal zehnten Zaren-reich!“ Und damit war die Zarin verschwunden.
Ein Jahr war vergangen, Iwan-Zarewitsch sehnt sich nach seiner Frau, und aufs zweite Jahr rüstete er sich zur Reise, erbat von Vater und Mutter den Segen und zog los. Er geht schon lange, da trifft er auf einmal auf eine Hütte – zum Wald mit der Vorderseite, zu ihm mit der Hinterseite. Er sagt: „Hütte, Hütte! Steh wie früher, wie die Mut-ter dich gestellt hat – zum Wald mit der Hinter-seit’ und zu mir mit der Vorderseit’!“ Die Hütte drehte sich. Er ging in die Hütte; da sitzt eine Alte und sagt: „Fuh, fuh! Von Menschenfleisch war nichts zu riechen und nichts zu sehen, heute ist Menschenfleisch von selber auf den Hof gekom-men! Wohin willst du, Iwan-Zarewitsch?“ – „Erst gib mir zu trinken und zu essen. Alte, dann frag nach Neuigkeiten!“ Die Alte gab ihm zu trinken und zu essen und legte ihn schlafen. Iwan-Zarewitsch sagt zu ihr: „Großmütterchen! Ich bin ausgezogen, die schöne Jelena zu suchen.“ – „Ach, mein Kind, wie lange hast du auf dich warten lassen. Sie hat in den ersten Jahren oft an dich gedacht, jetzt aber schon nicht mehr, und sie war auch schon lange nicht mehr bei mir. Geh weiter zu meiner mittleren Schwester, die weiß mehr.“
Iwan-Zarewitsch machte sich am Morgen auf den Weg, gelangte zu einer Hütte und sagt: „Hüt-te, Hütte! Steh wie früher, wie die Mutter dich ge-stellt hat – zum Wald mit der Hinterseit’ und zu mir mit der Vorderseit’!“ Die Hütte drehte sich. Er ging hinein und sieht: eine Alte sitzt da und sagt: „Fuh, fuh! Von Menschenfleisch war nichts zu riechen und nichts zu sehen, aber heute ist Men-schenfleisch von selbst auf den Hof gekommen! Wohin willst du, Iwan-Zarewitsch?“ – „Je nun, Großmütterchen, die schöne Jelena holen.“ – „Ach, Iwan-Zarewitsch“, sagte die Alte, „wie lange hast du auf dich warten lassen! Sie hat schon be-gonnen, dich zu vergessen, sie heiratet einen an-deren: bald ist Hochzeit! Sie lebt jetzt bei meiner großen Schwester, geh dorthin, aber paß auf, wenn du in ihre Nähe kommst, merken sie es an ihr, und Jelena wird sich in eine Spindel verwan-deln, und das Kleid an ihr wird zu Gold. Meine Schwester wird das Gold wickeln; wenn sie die Spindel abgewickelt und in einen Kasten gelegt und den Kasten abgeschlossen hat, dann such den Schlüssel, öffne den Kasten, zerbrich die Spindel, wirf die Spitze hinter dich und das Unterteil vor dich; dann wird sie vor dir stehen.“
Iwan-Zarewitsch ging los, kam zu dieser Alten, ging in die Hütte, sie wickelte Gold, wickelte es ab. Die Spindel legte sie in einen Kasten, verschloß ihn und legte den Schlüssel irgendwohin. Er nahm den Schlüssel, öffnete den Kasten, nahm die Spindel heraus und zerbrach sie, genau wie es ihm gesagt worden war, warf die Spitze hinter sich, das Unterteil aber vor sich. Plötzlich stand die schöne Jelena da und begrüßte ihn: „Ach, wie lange hast du auf dich warten lassen, Iwan-Zarewitsch! Ich hätte beinahe einen anderen ge-heiratet.“ Jener Bräutigam aber mußte bald kommen. Die schöne Jelena nahm einen fliegenden Teppich von der Alten, sie setzten sich darauf und fuhren los, flogen davon wie ein Vogel. Auf einmal kam der Bräutigam an, erfuhr, daß sie fort waren; er war auch ein Pfiffikus! Er setzte ihnen kurzer-hand nach, jagte und jagte sie, und es fehlten nur zehn Saschen, daß er sie eingeholt hätte: sie flogen auf dem Teppich nach Rußland hinein, er aber konnte aus irgendeinem Grunde nicht nach Rußland und machte kehrt; sie flogen nach Hause, alle freuten sich, und von nun an lebten sie ver-gnügt und wurden reich, und ihr Lob war in aller Munde.

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