Es lebten einmal ein alter Mann und eine alte Frau, die hatten kein einziges Kind, nur einen Ziegenbock; der war ihr ganzes Hab und Gut! Der Alte konnte keinerlei Handwerk, nur Bastschuhe flechten – davon allein ernährte er sich. Der Ziegenbock hatte sich an den Alten gewöhnt; wohin der Alte auch außer Haus ging, der Ziegenbock kam ihm nachgerannt.
Einmal mußte der Alte nach Bast in den Wald gehen, und der Ziegenbock war ihm nachgelaufen. Sie kamen in den Wald: der Alte fing an, Bast zu schneiden, der Ziegenbock aber streift umher und rupft sich hier und da Gras; rupfte und rupfte, und sank plötzlich mit den Vorderbeinen im lockeren Erdreich ein, fing an zu scharren und scharrte einen Topf mit Gold frei. Der Alte sieht, daß der Bock die Erde scharrt, ging hin – und sah das Gold; er freute sich unsäglich, warf seinen Bast weg, nahm das Geld und – nach Hause. Erzählte alles seiner Alten. „Nun, Alter“, sagt die Alte, „diesen Schatz hat uns Gott auf unsere alten Tage geschickt, weil wir uns so viele Jahre in Armut gequält haben. Jetzt aber wollen wir uns ein vergnügtes Leben machen!“ – „Nein, Alte“, antwortete ihr der Alte, „dieses Geld haben wir nicht durch unser Glück gefunden, sondern durch das Glück des Ziegenbocks, wir müssen den Ziegenbock jetzt besser hegen und pflegen als uns selber.“ Von da an hegten und pflegten sie den Ziegenbock besser als sich selber, erholten sich aber auch selber – es konnte gar nicht besser sein! Der Alte vergaß sogar, wie man Bastschuhe flicht; sie leben herrlich und in Freuden und kennen keine Sorge.
Nach einer Weile nun wurde der Bock krank und starb. Da beratschlagte der Alte mit seiner Alten, was sie tun sollten: „Wenn wir den Bock den Hunden vorwerfen, dann machen wir uns vor Gott und den Menschen schuldig, weil wir unser ganzes Glück durch den Bock bekommen haben. Ich will lieber zum Popen gehen und ihn bitten, dem Bock ein christliches Begräbnis zu geben, so wie man auch andere Tote begräbt.“ Der Alte machte sich auf, kam zum Popen und verneigt sich: „Sei gegrüßt, Väterchen!“ – „Sei gegrüßt! Was willst du?“
-„Hört, Väterchen, ich bin mit einer Bitte gekommen, bei mir zu Hause ist ein großes Unglück geschehen, unser Bock ist gestorben. Ich bin gekommen, dich zum Begräbnis zu bitten.“
Als der Pope solche Reden hörte, wurde er sehr böse, packte den Alten am Bart und schleifte ihn durch die Stube: „Ach, du Ruchloser, was fällt dir ein, einen stinkenden Bock beerdigen zu lassen!“
-„Aber Väterchen, dieser Bock war doch durch und durch rechtgläubig; er hat dir zweihundert Rubel vermacht!“ – „Höre, alter Schafskopf – ich schlage dich nicht deswegen, weil du mich zum Begräbnis des Ziegenbocks bittest, sondern weil du mir bis jetzt nichts von seinem Hinscheiden gesagt hast; vielleicht ist er schon lange gestorben!“
Der Pope nahm dem Bauern die zweihundert Rubel ab und sagt: „Nun geh schnell zum Vater Diakon, er soll sich fertigmachen: wir gehen sogleich den Bock begraben.“ Der Alte kommt zum Diakon und bittet: „Mach dir die Mühe, Vater Diakon, komm zu mir ins Haus, eine Leiche auf den Friedhof zu bringen!“ – „Wer ist denn bei dir gestorben?“ – „Ihr habt doch meinen Ziegenbock gekannt, der ist gestorben!“ Da begann der Diakon ihn links und rechts zu ohrfeigen. „Schlag mich nicht, Vater Diakon“, sagt der Alte, „der Bock war doch gewiß ganz rechtgläubig: als er im Sterben lag, hat er dir hundert Rubel fürs Begraben vermacht!“ – „Ach, bist so alt und doch so dumm“, sagte der Diakon, „warum hast du mich denn nicht schon längst von seinem seligen Hinscheiden verständigt! Geh schnell zum Küster; er soll für die Bockseele die Glocken läuten!“
Der Alte kommt zum Küster gerannt und bittet: „Komm, läute die Glocken für die Seele meines Ziegenbocks!“ Der Küster wurde böse und fing an, den Alten am Bart zu reißen. Der Alte schreit: „Laß bitte los! Der Bock war doch rechtgläubig, er hat dir fürs Begräbnis fünfzig Rubel vermacht!“ -„Warum druckst du solange herum, das mußtest du mir früher sagen; es hätte schon längst geläutet werden müssen!“ Und der Küster stürzte sich sogleich auf den Glockenturm und begann aus Leibeskräften alle Glocken zu läuten. Pope und Diakon kamen zu dem Alten und begannen das Begräbnis; legten den Ziegenbock in einen Sarg, trugen ihn auf den Friedhof und vergruben ihn in einem Grab.
Nun begannen die Leute untereinander über diese Sache zu reden, und es kam vor den Bischof, der Pope habe einem Ziegenbock ein christliches Begräbnis gegeben. Der Bischof ließ den Alten und den Popen zur Bestrafung zu sich kommen: „Wie konntet ihr wagen, einen Ziegenbock zu begraben? Ach, ihr Gottlosen!“ – „Aber dieser Ziegenbock“, sagt der Alte, „war doch durchaus nicht so wie andere Ziegenböcke, er hat Eurer Eminenz vor seinem Tode tausend Rubel vermacht!“ – „Ach, was bist du dumm, Alter, ich verurteile dich nicht, daß du den Ziegenbock begraben hast, sondern weil du ihm bei Lebzeiten nicht die heilige Ölung hast geben lassen!.“ Nahm die tausend Rubel und entließ den Alten und den Popen nach Hause.
Des Ziegenbocks Begräbnis
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