Der Topf

Du sagst, die Leute bei uns sind faul. Da hör einmal, was bei uns so vorkommt. So faules Volk kannst du suchen und nochmal suchen. Sind nur darauf aus, die Arbeit auf fremde Schultern abzuwälzen – nur nichts selber machen. So faul sind sie. und so faul waren sie im ganzen Kreis. Nicht einmal die Haustür sperrten sie mit dem Haken zu: „Hol der und jener den Haken! Steht man morgens auf, heißt es die Hände ausstrecken und ihn wieder aushaken. Wir leben auch so.“
So eine kochte einmal Brei. Und der Brei war gut geraten! Braun und locker, die Körnchen fielen nur so auseinander. Die Frau holte den Brei aus dem Ofen, stellte ihn auf den Tisch, goß Butter drauf; sie aßen den Brei und leckten sich die Lippen. Im Topf aber war so an der Seite und am Boden etwas Brei angebacken, der Topf mußte ausgewaschen werden.
Die Frau sagt zum Mann:
„Nun, Mann, ich habe das meine getan, hab den Brei gekocht, den Topf auswaschen ist deine Sache!“
„Nun hör aber auf! Ist Aufwaschen etwa Männersache? Wasch ihn nur selber aus!“
„Ich denke nicht daran!‘
„Ich auch nicht!“
„Wenn du’s nicht machst, mag er so stehen bleiben!“
Sprach’s, schob den Topf auf die Herdplatte und legte sich auf die Ofenbank.
Der Topf steht unaufgewaschen da.
„Frau, Frau! Der Topf steht doch noch unaufge-waschen da!“
„Wer an der Reihe ist, der soll ihn aufwaschen, ich mach’s nicht!“
Der Topf blieb bis zur Nacht stehen. Der Mann will sich schlafen legen, klettert auf den Ofen, aber der Topf steht noch immer da.
„Frau, Frau! Der Topf muß ausgewaschen werden!“
Die Frau legte los wie ein Sturmgewitter:
„Ich hab’s gesagt – das ist deine Sache, du mußt ihn aufwaschen!“
„Nun hör zu, Frau! Vorrede ist besser als Nachrede: wer morgen zuerst aufsteht und das erste Wort sagt, der soll auch den Topf auswaschen.“
„Schön, klettre auf deinen Ofen, wir werden ja sehen!“
Sie legten sich hin. Der Mann auf den Ofen, die Frau auf die Ofenbank. Die dunkle Nacht kam.
Am Morgen steht keiner auf. Er rührt sich nicht, sie rührt sich auch nicht – keiner will den Topf auswaschen. Die Frau müßte die Kuh tränken, melken und auf die Weide treiben, doch sie rührt sich nicht von ihrer Bank. Die Nachbarinnen hatten ihre Kühe auf die Weide getrieben.
„Du lieber Gott! Malania ist ja gar nicht zu sehen. Ob jemand krank ist?“
„Ach, sie ist schon manchmal zu spät gekommen. Gehen wir zurück, vielleicht treffen wir sie.“
Sie gehen zurück – von Malania keine Spur.
„Nein, aber wirklich! Sicher ist etwas passiert!“
Die nächste Nachbarin guckte in die Stube. Da hat man’s! Nicht einmal die Tür ist zugesperrt. Irgend etwas stimmt nicht. Sie ging hinein und bekreuzigte sich.
„Malania, Mütterchen!“
Doch die Frau liegt auf der Ofenbank, hat die Augen aufgerissen, rührt sich aber nicht.
„Warum hast du deine Kuh nicht auf die Weide getrieben? Bist du krank?“
Die Frau schweigt.
„Ja, was ist denn mit dir los? Warum sagst du nichts?“
Die Frau ist stumm wie eine Tote.
„Herr, erbarme dich! Wo ist denn dein Mann! Wassili, he, Wassili!“
Sie sah auf den Ofen, da liegt Wassili, die Augen offen, und rührt sich nicht.
„Was ist mit deiner Frau? Ist sie krank?“
Der Mann schweigt, als hätte er Wasser im Mund. Es hatte doch, verstehst du wohl, keiner Lust, den Topf auszuwaschen, keiner will das erste Wort sagen. Die Nachbarin wurde ganz aufgeregt.
„Gott behüte, sind sie vielleicht behext? Ich will doch gehen und es den Frauen sagen.“
Sie rannte durchs Dorf.
„Ach, Frauen! Bei Malania und Wassili stimmt etwas nicht. Geht nur hin und seht’s euch an – sie liegen und rühren sich nicht, sie auf der Ofenbank und er auf dem Ofen. Mit den Augen sehen sie umher, sprechen aber kein Wort. Ob sie behext worden sind?“
Die Frauen kamen gelaufen, fast alle versammelten sich und lamentieren um Malania und Wassili herum:
„Mütterchen! Was ist nur mit euch los? Malania! Wassili! Malania! Warum sagt ihr nichts? Was ist passiert?“
Beide schweigen und schweigen wie zwei Tote.
„Lauft doch zum Popen, Frauen! Er muß sie gesund beten. Die Sache sieht ja schlimm aus!“
Einige rannten los. Der Pope kam. „Was gibt’s. Rechtgläubige?“
„Sieh nur, Väterchen, irgend etwas ist passiert. Beide liegen da, rühren sich nicht, haben die Augen offen, bringen aber kein Wort über die Lippen. Ob sie behext sind? Müssen sie nicht gesundgebetet werden?“
Der Pope strich seinen Bart und ging zum Ofen.
„Wassili, Knecht Gottes! Was ist passiert?“
Der Mann bleibt stumm. Der Pope geht zur Ofenbank.
„Magd Gottes! Was ist mit deinem Mann?“
Die Frau bleibt stumm.
„Müßte nicht das Sterbegebet gesprochen werden? Sollen wir nicht nach dem Sarg schicken?“
Beide sind stumm wie Tote. Die Frauen nun hatten lamentiert und lamentiert und sich davongemacht. Das lohnte sich ja nicht – eine mußte den Ofen heizen, eine die Kinder füttern, die hatte Kücken, jene hatte Ferkel: Der Pope aber sagt:
„Nun, Rechtgläubige, sie so alleinzulassen ist gefährlich. Es muß schon jemand dabeibleiben.“
Die hat zu tun, jene hat zu tun, und die dritte hat keine Zeit.
„Soll doch Stepanida dableiben, bei der weinen keine Kinder, sie ist allein!“
Diese Stepanida aber stemmt die Hand in die Hüfte und verneigt sich:
„Nur, heutzutage, Väterchen, arbeitet niemand umsonst; setzt mir ein Gehalt aus, dann will ich hierbleiben.“
„Ja, was soll ich dir denn für ein Gehalt aussetzen?“ fragt der Pope und ließ die Augen durch die Stube schweifen. An der Tür aber hängt an der Wand Malanias alte zerrissene Jacke, die Watte hängt in Fetzen herunter.
„Dort“, sagt der Pope, „nimm die Jacke. Schlecht hin, schlecht her – um die Beine zuzudecken, taugt sie noch immer!“
Nun, meine Besten, kaum hatte der Pope das gesagt, da sprang die Frau von der Bank, als hätte man sie mit kochendem Wasser übergossen, stellte sich mitten in die Stube und stemmte die Hände in die Seiten:
„Was soll denn das heißen“, sagt sie, „das gehört schließlich mir, und ich bin noch nicht am Sterben! Ich kann sie noch selber tragen, und wenn ich sie aus meinen warmen Händen lasse, dann kriegt sie der, dem ich sie gebe!“
Alle waren erstarrt. Der Mann aber ließ vorsichtig die Beine vom Ofen herunterbaumeln, beugte sich herab und sagt:
„Na also, Frau, du hast das erste Wort gesagt, du mußt auch den Topf auswaschen.“
Da spie der Pope aus und ging seines Wegs. Da seht ihr, meine Lieben, was für Leute es auf der weiten Welt gibt. Und nirgends solche wie hier um Ustjushnaja.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert


sieben − 4 =

Du kannst folgende HTML-Tags benutzen: <a href="" title=""> <abbr title=""> <acronym title=""> <b> <blockquote cite=""> <cite> <code> <del datetime=""> <em> <i> <q cite=""> <strike> <strong>