Manchmal sagen die Dummen: Wenn man Geld hat, ist man auch gesund. Nein, eine Krankheit kann man vielleicht für Geld bekommen, aber nicht die Gesundheit.
Vor langer Zeit lebte einmal ein reicher Mann. Er hatte so viel Geld, daß er es nicht zählen konnte. Er lebte in Saus und Braus, kannte keine Not und keinen Kummer. Nur eines quälte ihn, quälte ihn und ließ ihn weder essen noch schlafen. Er wollte immer noch besser leben und konnte sich nicht vorstellen, wie. Da begann er zu vertrocknen und abzumagern, weil nichts Besseres zu finden war. Er wurde noch unzufriedener, als ihm eines Tages ein sehr armer Mensch begegnete. Er spazierte gerade um seinen Palast herum, da kam ihm ein schwarzer, zerlumpter armer Mann ent-gegen und sang so schöne Lieder, daß die Blumen im Garten des Reichen aufgingen.
„Warum singst du?“ fragte der Reiche.
„Ich singe, weil ich gesund und fröhlich bin.“
„Weshalb bist du lustig, wenn du so arm bist?“
„Was brauche ich denn schon? Heute habe ich mich an Kartoffeln sattgegessen, morgen werde ich auch Brot und Speck haben, denn ich habe etwas Geld verdient.“
„Singst du etwa deshalb, weil du gesund bist und dich sattgegessen hast?“
„Nein, aber wie schlecht es mir auf der Welt auch geht, solange ich am Leben bin, kann es eines Tages besser werden. Deshalb singe ich!“
Als der Arme das gesagt hatte, zog er weiter und sang dabei ein Lied.
Alles Unglück kommt durch den Reichtum, dachte der Reiche, ich werde den Menschen etwas von meinem Reichtum abgeben, dann ergeht es mir vielleicht besser.
Als ihm dies durch ,den Kopf gegangen war, rief er dem Armen nach: „He, höre! Komm zurück, ich habe einen Auftrag für dich!“ Der Arme hörte, daß ihn der Reiche rief, und kam zurück. Inzwischen hatte der Reiche einen Beutel voll Geld aus der Tasche geholt und gab ihn dem Armen. „Hier, nimm das Geld, dann wird es dir gutgehen und mir besser!“ Der Arme dankte dem Reichen, nahm das Geld und ging weiter. Dem Reichen wurde es wirklich leichter ums Herz, weil er wenigstens einmal etwas Gutes getan hatte.
Aber nicht lange freute sich der Reiche, denn als er nach Hause kam und sein Geld zu zählen begann, überkam ihn gleich Traurigkeit. Ihm tat das Geld leid, das er dem Armen gegeben hatte. Da lief der Reiche wie ein begossener Pudel um-her, so traurig, als wäre er bereits unter der Erde. Je mehr er umherlief, um so trauriger wurde ihm ums Herz, so daß er sich fast das Leben nehmen wollte. Aber da kam ihm der Gedanke, was denn mit seinem Reichtum würde, wenn er stürbe.
Wie kann ich das nur einrichten, dachte der Reiche, daß ich auch nach meinem Tode meinen Reichtum behalte?
Er überlegte und überlegte, und schließlich fiel ihm etwas ein. Er legte in seinem Lagerraum unter dem Fußboden einen Keller an und baute die Tür so fest, daß sie niemand aufbrechen konnte. Dann brachte er sein Geld und alles, was ihm teu-er war, in den Keller. Er ging oft in diesen Keller hinab und ergötzte sich an seinem Reichtum.
Einmal war er auch wieder in den Keller gegangen und hatte die Tür nicht richtig geschlossen. Auf einmal schlug die Tür zu und verklemmte sich derart, daß er nicht aus dem Keller herauskommen konnte. Da saß der Reiche im Keller und kam fast um vor Hunger. Er schrie um Hilfe, aber nie-mand hörte ihn. Nun verstand er, wie wenig Wert Geld und Gut haben, wenn keine Menschen da sind, die es brauchen. Ihm wurde klar, was Geld ist, was für einen Nutzen die Menschen davon haben, aber er konnte es niemandem mehr sagen, denn er konnte ja nicht aus dem Keller hinausgelangen. So saß er da und wußte nicht, was er tun sollte. Da sah er auf einmal, wie all sein Geld und all sein Hab und Gut sich in Menschenschweiß und -blut verwandelten. Das Blut und der Schweiß stiegen in dem Keller immer höher. Sie gingen dem Reichen schon bis an die Kehle, und er wäre beinahe in dem Menschenblut ertrunken. Da schrie der Reiche noch einmal aus Leibeskräften und hörte, daß jemand antwortete. Da freute sich der Reiche, freute sich so wie noch nie, denn nun konnte er vielleicht doch noch ein Weilchen auf der Welt leben und noch einmal in das klare Sonnenlicht schauen. Inzwischen hatte der Arme den Fußboden auseinandergenommen, um den Reichen zu retten.
Der arme Mann, dem der Reiche einen Beutel mit Geld gegeben hatte, war nämlich zurückge-kommen. Er hatte damals das Geld genommen und zuerst geglaubt, daß es ihm damit besser ge-hen würde. In Wirklichkeit aber ging es ihm jetzt schlechter als vorher. Mit dem Geld war ihm Tag und Nacht furchtbar zumute. Er hatte immer Angst, daß ihn jemand erschlagen und berauben könnte. Er wußte nicht, wo er das Geld hintun sollte. Er trug es mit sich wie ein Kater ein Esels-füllen. Er aß nicht, er trank nicht, er dachte nur immer daran, daß er das Geld nicht verlieren dürfe. Er hörte auf, Lieder zu singen, und hörte auf, lustig zu sein. Er quälte sich so, daß er schließlich darauf kam, daß er ohne Geld besser leben könne, und als ihm das klargeworden war, nahm er den Beutel mit dem Geld, um ihn dem Reichen zurückzubringen. Er kam zu dem Reichen, aber der war nicht da. Da fragte er die Leute, wo der Reiche sei. Sie antworteten, daß ihn wahrschein-lich der Teufel geholt habe, denn er war zu Hause und sei plötzlich irgendwohin verschwunden. Da stand der arme Mann nun da und kratzte sich am Kopfe, denn er wußte nicht, wo er den Reichen finden sollte. Aber gerade in diesem Augenblick schrie der Reiche im Keller. Der Arme erkannte ihn an der Stimme und stürzte hin, um ihn zu ret-ten.
So nahm der Arme den Fußboden auseinander und kam in den Keller. Der Reiche stieg halb tot heraus und bat um Essen. Da holte der Arme Bratkartoffeln und Zwieback aus der Tasche und gab sie dem Reichen. Der aber stürzte sich darauf wie ein hungriger Wolf. Er arbeitete mit den Zäh-nen, daß die Ohren zitterten. Als er sich ein wenig gestärkt hatte, bedankte er sich bei dem Armen. Der aber sagte: „Gott müßt Ihr danken, nicht mir. Ich wollte dir für das Geld danken. Hier hast du es zurück.“
Er streckte dem Reichen den Beutel mit Geld hin. Als der Reiche das Geld sah, begann er zu schreien, daß alles Menschenblut und Schweiß sei, und lief davon, daß seine Hacken nur so dampften. Er lief und lief und sprang in einen Brunnen. Der Brunnen war tief, und ehe die Leute zusam-mengekommen waren, um ihn zu retten, war der Reiche schon ertrunken.
Da warf der Arme auch das Säckchen mit dem Geld in den Brunnen, ging weiter und sang wie vorher.
Der Reiche
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