Es war einmal ein armer Bauer, der hatte kein Glück im Leben. Seine Wirtschaft gedieh nicht, das Vieh vermehrte sich nicht, die Kinder waren krank, seine Frau war zänkisch, und in seiner Hütte herrschten immer Unruhe und Streit. Er hatte aber ein Glück, und das war seine Geige. Er war ein guter Musikant. Wenn er eine freie Stunde hatte, nahm er sie, ging hinter die Scheune auf einen Hügel, setzte sich auf einen Stein und spielte auf ihr die verschiedensten Weisen. Dann vergaß er seine Armut, sein Leid und seine Frau.
Als er wieder einmal spielte, kam eine Eidechse aus ihrem Loch heraus. Wenn die Geige eine traurige Melodie spielte, senkte die Eidechse ihr Köpfchen und lauschte, aber wenn der Bauer lustig spielte, dann tanzte die Eidechse. Sie tanzte so lange, bis er aufhörte zu spielen. Dann verneigte sie sich höflich, spuckte einen Dukaten aus und versteckte sich wieder in ihrem Loch.
Das gleiche geschah am anderen Tage. Jedesmal kam die Eidechse, um seiner Musik zu lauschen und zu tanzen, und jedesmal spuckte sie einen Dukaten aus.
Der Musikant hatte nun Geld, und auch zu Hause wurde es besser, das Vieh vermehrte sich wieder, die Kinder hörten auf zu kränkeln, und seine Frau beruhigte sich, nur fragte sie ihn jetzt immer, woher er das Geld habe. Zuerst schwieg er, aber einmal, als sie noch ärger in ihn drang und fragte: „Gehst du vielleicht stehlen oder mordest du?“, da erzählte er ihr, daß ihm die Eidechse die Dukaten bringt.
Die Frau schrie ihn an: „Wo gibt es Eidechsen, die Dukaten bringen? Das ist ja noch schlimmer als ein Verbrechen. Da gibt dir vielleicht der Teu-fel in Gestalt einer Eidechse Geld. Wahrscheinlich hast du uns alle an den Teufel verkauft!“
Der Musikant sagte: „Ich spiele, um meinen Kummer zu vergessen, und wenn sie getanzt und mir die Dukaten gegeben hat, dann danke ich ihr. Ich habe doch kein Geld von ihr verlangt.“
Die Frau aber wollte davon nichts hören. Sie schrie: „Du mußt von dem Teufel loskommen!“
„Wie soll ich das denn anstellen?“ fragte der Musikant. Die Frau überlegte und sagte: „Nimm ein Beil mit und spiele an der gleichen Stelle, und wenn die Eidechse aus ihrem Loch kommt, zer-hacke sie!“
Der Musikant hörte auf seine Frau und ging. Er setzte sich auf einen Stein, nahm das Beil aus dem Gürtel und stellte es an sein Bein. Die Eid-echse kam wie immer aus ihrem Loch heraus und begann zu tanzen. Obwohl der Musikant an den Befehl seiner Frau dachte, konnte er das Beil doch nicht gegen die lustige Eidechse erheben. Er hörte auf zu spielen, die Eidechse verneigte sich höflich, spuckte einen Dukaten aus und kroch zu ihrem Loch zurück. Da griff er das Beil und warf es ihr nach, konnte ihr aber nur den Schwanz abhacken. Die Eidechse drehte sich um, sprang auf ihn zu und biß ihm die Nase ab. Dann kroch sie in ihr Loch zurück. Der Musikant nahm seine Geige und ging nach Hause.
Danach hatte er lange damit zu tun, seine Nase zu heilen. Oft mußte er die Ärzte aufsuchen und gab dabei sein ganzes Geld aus. Als er nun wieder arm war, hatte er auch wieder Pech mit dem Vieh, die Kinder kränkelten wieder, und die Frau war noch zänkischer als früher. Um sein Leid zu ver-gessen, ging der Musikant wieder zu demselben Stein und spielte auf der Geige. Als er ein trauriges Lied spielte, da kroch die Eidechse wieder aus ihrem Loch. Sie senkte ihr Köpfchen und lauschte der wundervollen Musik, und als er lustige Tänze spielte, da fing die Eidechse an zu tanzen. Der Musikant hörte auf zu spielen, die Eidechse verneigte sich, spuckte einen Dukaten aus und lief davon. So wurden der Musikant ohne Nase und die Eidechse ohne Schwanz wieder Freunde, und wieder begann der Musikant reich zu werden.
Einmal, als die Eidechse aufgehört hatte zu tanzen, entschuldigte sich der Musikant bei ihr und sagte: „Verzeih, meine liebe Eidechse, daß ich auf mein treffliches Weib gehört und dir den Schwanz abgehackt habe!“
Die Eidechse aber sagte: „Ach, laß nur, ich bin wegen dieses Streiches nicht ärgerlich auf dich.
Doch schau ich deine Nase an beim Tanz,
dann denk ich gleich an meinen Schwanz.“
Der Musikant und die Eidechse
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