Der Kater mit dem Goldschwanz

Es lebten einmal ein Mann und eine Frau, die hatten drei Töchter. In jener Gegend aber hauste im Walde hinter dem Berge ein Bär, und dieser Bär hatte einen Kater mit goldenem Schwanz. Einmal sagte der Bär: „Kater Goldschwanz, verschaff mir eine Frau.“ Der Kater mit dem goldenen Schwanz machte sich auf den Weg, eine Braut zu suchen. Er streicht im Garten umher, schleicht über die Gemüsebeete, mitten durch den Kohl. Da erblickt ihn das eine Mädchen durchs Fenster. „Vater, ein Kater mit goldenem Schwanz läuft über die Beete!“ – „Lauf und fang ihn! Lauf und fang ihn!“ Sie lief hinaus, ihn zu fangen. Der Kater läuft übers Beet – das Mädchen läuft übers Beet, der Kater läuft die Straße entlang – das Mädchen läuft die Straße entlang, der Kater springt über den Graben – das Mädchen springt über den Graben, der Kater schlüpft ins Haus – das Mädchen schlüpft ins Haus. Da liegt der Bär auf dem Bett. „Eine allerliebste Braut hast du mir gebracht. Jetzt werden wir ein Leben führen! Du, liebes Weib, sollst mich füttern, sollst mich tränken, ich aber will dir Holz bringen. Hier nimm die Schlüssel: in diese Kam-mer sollst du gehen, in diese Kammer sollst du gehen, in diese jedoch darfst du nicht hinein, sonst muß ich dich töten.“ Da ging sie in die eine Kammer, dann in die andere; in der ersten war Brot, in der zweiten Fleisch, Honig und Speck. Gar sehr verlangte es sie, auch in die dritte Kammer zu gehen und zu sehen, was der Bär dort zu stehen habe. Ging hinein und sieht: Dort stehen Fässer. Sie nahm vom ersten Faß den Deckel und probierte mit dem Finger, was darin wäre. Wie sie den Finger ansah, war er golden geworden. Gold war im Faß, goldenes Wasser. Da erschrak das Mädchen, band ein Läppchen um den Finger, setzt sich und näht. Der Bär kam heim, sah den ver-bundenen Finger und fragt: „Liebes Weib, warum hast du deinen Finger verbunden?“ – „Hab mich geschnitten, hab Nudeln gemacht und mich geschnitten!“ – „Das will ich mir einmal ansehen!“ – „Nein, es tut weh, nein, es tut weh!“ – „Ei was, ich will’s sehen!“ Er zog den Verband herunter und sah den goldenen Finger. „Ach, du bist in die dritte Kammer gegangen!“ Sprach’s, riß ihr den Kopf ab und warf sie in die dritte Kammer hinter ein Faß. Wieder war er allein. Da sagt er: „Kater Goldschwanz, verschaff mir eine Frau! Kater Gold-schwanz, verschaff mir eine Frau!“ – „Bring du deine Bräute nicht um! Ich gehe nicht!“ – „Kater Goldschwanz, verschaff mir eine Frau!“ – „Nun gut.“ Der Kater streicht durch die Kohlbeete, schleicht überall umher. Da erblickt ihn die zweite Tochter und ruft: „Vater, Mutter, der Kater mit dem goldenen Schwanz!“ – „Lauf und fang ihn! Lauf und fang ihn!“ Sie lief hinaus, ihn zu fangen. Der Kater läuft übers Beet – das Mädchen läuft übers Beet, der Kater läuft die Straße entlang – das Mädchen läuft die Straße entlang, der Kater springt über den Graben – das Mädchen springt über den Graben, der Kater schlüpft ins Haus – das Mädchen schlüpft ins Haus. Da liegt der Bär auf dem Bett. „Eine allerliebste Braut hast du mir gebracht. Jetzt werden wir ein Leben führen! Du, liebes Weib, sollst mich füttern, sollst mich trän-ken, ich aber will dir Holz bringen. Hier nimm die Schlüssel: in diese Kammer sollst du gehen, in diese Kammer sollst du gehen, in diese jedoch darfst du nicht hinein, sonst muß ich dich töten!“ Da ging sie in die eine Kammer, dann in die ande-re; in der ersten war Brot, in der zweiten Fleisch, Honig und Speck. Gar sehr verlangte es sie, auch in die dritte Kammer zu gehen und zu sehen, was der Bär dort zu stehen habe. Geht hinein und sieht: Dort stehen Fässer. Sie nahm vom ersten Faß den Deckel und probierte mit dem Finger, was darin wäre. Wie sie den Finger ansah, war er golden geworden. Gold war im Faß, goldenes Wasser. Da erschrak das Mädchen, band ein Läppchen um den Finger, setzt sich und näht. Der Bär kommt heim, sieht den verbundenen Finger und fragt: „Liebes Weib, warum hast du deinen Finger verbunden?“ – „Hab mich geschnitten, hab Nudeln gemacht und mich geschnitten!“ – „Das will ich mir einmal ansehen!“ – „Nein, es tut weh, nein, es tut weh!“ – „Ei was, ich will’s sehen!“ Er zog den Verband herunter und sah den goldenen Finger. „Ach, du bist in die dritte Kammer gegangen!“
Sprach’s, riß ihr den Kopf ab und warf sie in die dritte Kammer hinter ein Faß.
Da war er wieder Witwer und bekam Langeweile. „Kater Goldschwanz, verschaff mir eine Frau! Kater Goldschwanz, verschaff mir eine Frau!“
„Ich gehe nicht, warum bringst du sie immer um!“ – „Ich will’s nicht wieder tun, will sie verschonen.“ Nun, er ging. Der Kater strich durch die Beete, mitten durch die Möhren hindurch. Da erblickte ihn die dritte Tochter und ruft: „Vater, Mutter, der Kater mit dem goldenen Schwanz!“ – „Lauf und fang ihn! Lauf und fang ihn!“ Sie lief hinaus, ihn zu fangen. Der Kater läuft über die Beete – das Mädchen läuft über die Beete, der Kater läuft die Straße entlang – das Mädchen läuft die Straße entlang, der Kater läuft durch die Akkerfurche – das Mädchen läuft durch die Ackerfur-che, der Kater springt über den Graben – das Mädchen springt über den Graben, der Kater schlüpft ins Haus – das Mädchen schlüpft ins Haus. Da liegt der Bär auf dem Bett. „Eine allerliebste Braut hast du mir gebracht. Du, liebes Weib, mache den Ofen an und koche; du sollst mich füttern, ich aber will Holz bringen. Hier sind die Schlüssel: in diese Kammer magst du gehen, in diese Kammer magst du gehen, in diese jedoch darfst du nicht hinein, sonst muß ich dich töten.“ Damit ging der Bär nach Holz. Sie ging in die erste Kammer – dort fand sie Brot und Mehl. In der zweiten war Fleisch, Speck und Butter. Nun kam sie das Verlangen an, in die dritte Kammer zu gehen, was der Bär dort zu liegen habe. Sie schloß die Tür auf und sieht, dort stehen Fässer. Sie nahm einen Stab und tauchte ihn in das eine Faß – da war der Stab ganz mit Gold überzogen. Sie tauchte ihn in ein anderes Faß – da war er silbern geworden, in das dritte – da bewegte sich der Stab in ihrer Hand. Sie sah hinter das Faß: „Weh, hier liegen meine Schwestern erschlagen!“ Wie sie den Stab ins vierte Faß tauchte, wurde er wieder starr und unbeweglich: Das Wasser des Todes war darin. Da nahm sie die eine Schwester, setzte ihr den Kopf auf den Hals und besprengte sie mit dem Wasser des Todes; der Kopf wuchs an, doch die Schwester blieb tot; sie nahm vom Wasser des Lebens, und die Schwester wurde wieder lebendig.
„Was auch draus werden mag, ich will dich erretten. Ich werde Pfannkuchen backen, dich in den Korb setzen, und der Bär soll dich in unseren Hof werfen: Ich werde sagen, es ist für Mutters Leichenschmaus.“
Wie der Bär nach Hause kam, ist sie beim Pfannkuchenbacken. „Ich hab doch ein allerliebstes Weibchen! Wie hast du dir die Zeit vertrieben?“ – „Sieh nur: überall bin ich gewesen, hab alles gefunden.“ – „In die dritte Kammer bist du nicht gegangen?“ – „Nein, weiß nicht, was darin ist.“ – „Dann gib mir zu essen!“ – „Bring doch einen Korb Pfannkuchen zu den Meinen, für Mutters Leichenschmaus! Bring ihn hin und wirf ihn in den Garten!“ – „Gut, ich will’s tun.“ Sie legte die Schwester in den Korb, auf die Schwester aber Pfannkuchen und Piroggen. „Nun geh und bring’s als Liebesgabe! Du siehst, der Korb ist voll. Daß du aber nichts davon ißt! Ich steige aufs Dach und passe auf!“ Der Bär lud die Kuchen auf seinen Rücken. Der Korb war aber sehr schwer, darum sagte er nach einer Weile: „Will mich auf einen Baumstumpf setzen, mich an einer Pirogge let-zen.“ Aber die Schwester im Korb sprach: „Ich seh’s, ich seh’s. Du darfst dich nicht auf den Baumstumpf setzen, dich nicht an einer Pirogge letzen!“ – „Ei, was hat sie für scharfe Augen; sieht mich noch immer!“ Er war aber schon weit gegangen. Als er an den Rand des Gehöfts kam, warf er den Korb mit den Piroggen hinein. Die Hunde jagten ihm nach, er aber entfloh in den Wald. Das Mädchen sprang unterdes heraus und lief heim. Der Bär kam nach Hause, da ist die Frau wieder bei der Arbeit: „Mein Vater ist gestorben, wir müssen etwas zum Leichenschmaus schikken!“ – „Wenn du’s willst, bring ich’s hin.“ Sie buk wieder Piroggen. „Nun geh, Michail Michailo-witsch; doch darfst du dich nicht auf ’nen Baum-stumpf setzen, dich nicht an einer Pirogge letzen. Ich werde auf dem Dache stehen, werde alles se-hen!“ Der Bär hatte schon einen langen Weg hinter sich gebracht, da wurde er müde. „Will mich auf einen Baumstumpf setzen, mich an einer Pirogge letzen.“ – „Du darfst dich nicht auf den Baumstumpf setzen, dich nicht an einer Pirogge letzen!“ – „Was für scharfe Augen sie doch hat: sieht auch aus der Ferne alles.“ Als er an den Rand des Gehöfts kam, warf er den Korb in den Garten, daß die Kuchen nach allen Seiten flogen.
Das Mädchen sprang heraus und lief heim, die Hunde aber jagten dem Bären nach.
Am dritten Tag sagt sie: „Mein Bruder ist ge-storben, wir müßten etwas zum Leichenschmaus schicken!“ – „Wie du meinst; back Pfannkuchen und Piroggen, ich will’s hintragen.“ Sie hatten aber einen gelehrten Hahn, zu dem sagt sie: „Deck mich mit Pfannkuchen und Piroggen zu, ich will dir auch schöne Körner geben.“ Dann nahm sie einen Mörser, hüllte ihn in ihr Kleid und stellte ihn aufs Dach. Der Hahn nun deckte sie mit Pfannkuchen und Piroggen zu (sie hatte aber auch vom Golde mitgenommen). Der Bär nahm den Korb und machte sich auf den Weg. Lief und lief und wurde müde: „Will mich auf einen Baumstumpf setzen, mich an einer Pirogge letzen.“ Da sprach sie: „Ich werde dir, ich werde dir; du darfst dich nicht auf den Baumstumpf setzen, dich nicht an einer Pirogge letzen!“ – „Sie sieht’s, dabei bin ich doch schon weit.“
Er kam an den Rand des Gehöfts, warf den Korb hinein, und die Hunde jagten ihm nach. Wie er nach Hause kam, steht sie auf dem Dach, näm-lich der Mörser. „Was stehst du noch auf dem Dach, liebes Weib? Die Piroggen habe ich schon fortgebracht!“ Sie steht und sagt kein Wort. „So komm doch herunter, sage ich! Komm herunter, oder es setzt Schläge!“ Sie steht und sagt kein Wort. Er wurde wütend, nahm eine Stange und stieß sie. Sie rollte das Dach herunter, rums, rums, immer weiter. Er hielt die Pranken bereit, sie aufzufangen: „Ach, meine Schöne! Sollst dich nicht zu Tode stürzen!“ Der Mörser flog in hohem Bogen vom Dach herunter, dem Bären gerade auf die Schnauze, mitten auf die Nase. Und machte mit dem Bären und dem Märchen ein Ende.

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