In einem Zarenreich, in einem Staat lebte einmal ein Matrose; er diente dem Zaren in Treue, führte sich ordentlich, und deswegen kannten ihn auch die Vorgesetzten. Einmal bat er um Landurlaub, um ein wenig in der Stadt umherzugehen, zog seine Matrosenbluse an und ging in ein Gasthaus; setzte sich an den Tisch und verlangte Wein und etwas zu essen; ißt, trinkt, und läßt sich’s gut sein! Schon hat er für etwa zehn Rubel auffahren lassen, aber er gibt noch immer keine Ruhe: bald bestellt er das, bald etwas anderes.
„Hör mal, Matrose“, sagt der Kellner zu ihm, „bestellen tust du viel, aber hast du auch genug zum Bezahlen?“ – „Ach, Bruderherz! Am Geld zweifelst du? Geld hab ich mehr als genug!“ Sogleich holte er ein Goldstück aus der Tasche, warf’s auf den Tisch und sagt: „Hier, zahlen!“ Der Kellner nahm das Goldstück, zog alles richtig ab und bringt ihm den Rest zurück.
Aber der Matrose sagt zu ihm: „Nichts da zu-rück, Bruderherz! Behalt’s als Trinkgeld!“
Am anderen Tag bat der Matrose wieder um Ur-laub, kehrte im gleichen Gasthaus ein und verju-belte noch ein Goldstück; am dritten Tag dassel-be, und er kam von nun an fast jeden Tag, bezahlte immer mit Goldstücken, nimmt aber nichts zurück, sondern schenkt’s dem Kellner als Trinkgeld. Da wurde der Gastwirt selber aufmerk-sam auf ihn, und es kamen ihm Zweifel: „Was hat das zu bedeuten? Ein lumpiger Matrose – nichts Besonderes, aber mit dem Gelde wirft er um sich, Donnerwetter! Eine ganze Schatulle voll Gold hat er schon hergetragen!… Ihren Sold kenne ich, keine Angst – damit kann man keine großen Sprünge machen! Sicher hat er irgendwo die Staatskasse bestohlen; man muß den Vorgesetz-ten Meldung davon machen; will’s das Unglück, gerät man noch in eine so böse Geschichte hinein, daß man hinterher nicht mehr ein noch aus weiß und womöglich noch nach Sibirien kommt.“ Also erstattete der Gastwirt einem Offizier Meldung, und der brachte es bis vor den General. Der Ge-neral ließ den Matrosen zu sich kommen: „Gib’s ehrlich zu“, sagt er, „wo hast du das Gold her?“ – „Ha, von diesem Gold gibt’s in jeder Müllgrube genug!“ – „Was erzählst du für Märchen?“ – „Kei-ne, Euer Exzellenz! Nicht ich erzähle Märchen, sondern der Gastwirt; soll er doch mal das Gold zeigen, das er von mir bekommen hat!“
Sogleich wurde die Schatulle gebracht; sie ma-chen sie auf, aber sie war mit lauter Knöpfen voll-gestopft. „Wie denn das, mein Freund: Bezahlt hast du mit Gold, und jetzt liegen Knöpfe drin? Zeig, wie hast du das gemacht?“ – „Ach, Euer Ex-zellenz! Seht dort, unser letztes Stündlein ist ge-kommen…“ Sie sehen auf, da strömte durch Fen-ster und Türen das Wasser nur so herein; immer höher und höher, es reicht schon bis zum Hals.
„Herrgott! Was sollen wir jetzt tun? Wohin können wir uns retten?“ fragt erschrocken der General. Und der Matrose gibt zur Antwort: „Wenn Ihr nicht ertrinken wollt. Euer Exzellenz, dann kriecht mir in den Schornstein nach.“ Sie krochen also hinein, kletterten bis aufs Dach, stehen da und sehen nach allen Richtungen: die ganze Stadt un-ter Wasser! Eine solche Überschwemmung, daß an niedrigen Stellen überhaupt keine Häuser zu sehen sind; und das Wasser steigt und steigt. „Nun, mein Freund“, sagt der General, „da werden wir beide wohl nicht heil davonkommen!“ – „Weiß nicht; was sein soll, wird sein!“ – „Mein letztes Stündlein ist gekommen!“ denkt der General, steht da, ist gar nicht mehr er selbst und betet zu Gott.
Auf einmal kommt irgendwoher eine Jolle vor-beigeschwommen, verfängt sich am Dach und bleibt an eben der Stelle stehen. „Euer Exzellenz“, sagt der Matrose, „steigt schnell in die Jolle, wir wollen abfahren; kann sein, wir kommen davon, vielleicht fällt das Wasser.“ Sie setzten sich beide in die Jolle, und der Wind trieb sie über das Was-ser hin; sie treiben einen Tag, treiben einen zwei-ten, und am dritten begann das Wasser zu fallen, und zwar so schnell – wohin war es nur geraten? Ringsum wurde es trocken; sie stiegen aus der Jolle und fragten gute Menschen: Wie heißt das Land, und hat es sie weit getrieben? Es hatte sie aber durch dreimal neun Länder getrieben, ins dreimal zehnte Zarenreich; ein ganz fremdes, unbekanntes Volk. Was nun tun, wie wieder in die Heimat kommen? Geld haben sie keinen Groschen bei sich, nichts, um sich fortzuhelfen. Der Matrose sagt: „Wir müssen uns als Knechte verdingen und etwas Geld zusammenkratzen; ohne das ist an eine Heimkehr nicht einmal zu denken.“ – „Das ist gut für dich, mein Freund! Du bist seit je an Arbeit gewöhnt, aber ich? Du weißt doch, daß ich Gene-ral bin, zu arbeiten verstehe ich nicht.“ – „Macht nichts, ich werde eine Arbeit finden, bei der man nichts zu verstehen braucht.“
Sie machten sich auf ins Dorf und boten sich als Hirten an, – die Gemeinde war einverstanden und stellte sie für einen ganzen Sommer ein; der Ma-trose ging als Oberhirt, der General als Hirtenjun-ge. So hüteten sie immerhin bis zum Herbst das Vieh des Dorfes; danach sammelten sie von den Bauern ihr Geld ein und begannen zu teilen. Der Matrose teilte das Geld in zwei gleiche Hälften: wieviel für sich, soviel auch für den General. Wie der General sieht, daß der Matrose ihn sich gleich-stellt, war er gekränkt und sagt: „Was stellst du mich denn dir gleich? Ich bin doch General, und du – immerhin nur einfacher Matrose!“ – „Sieh mal an! Ich müßte drei Teile machen: zwei mir nehmen, und für Euch ist einer genug: denn ich war ein richtiger Hirte, Ihr aber – der Hirten-junge.“ Der General wurde böse und fing an, den Matrosen auf jede erdenkliche Weise zu be-schimpfen; der Matrose aber hielt an sich und nochmal an sich, dann holte er aus und stieß ihm die Faust in die Seite: „Kommt zu Euch, Euer Ex-zellenz!“ Der General kam zu sich und sieht: alles ist wie vorher; wie er in seinem Zimmer gewesen war, so hatte er es auch nicht verlassen! Er spürte kein Verlangen mehr, den Matrosen zu richten, entließ ihn, und der Gastwirt stand mit leeren Händen da.
Der Hexenmeister
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