Seht nur, welch ein Dickicht, welch ein Morast!
Man kann eine ganze Woche lang gehen und
kommt doch nicht bis ans Ende. Vor langer Zeit
war hier einmal nur reines Wasser, und alles blitzte
und blinkte in der Sonne wie Glas. Da fuhr Gott
in einem Kahn über das Wasser und sah sich um,
wo er die Erde machen könnte. So fuhr er in dem
Kahn umher und merkte sich vor, was er wie und
wo einrichten wollte. Der Teufel bemerkte den
Kahn und schwamm ihm nach. Er schwamm an
den Kahn heran, tauchte aber vor Schreck gleich
wieder wie ein Taucher unter das Wasser und
schwamm weiter. Aber er wollte doch gern wissen,
was Gott vorhatte. Gott sah zwar, daß ihm
der Teufel wie ein Gespenst folgte, schwieg aber.
Dann säte Gott die Erde. Er warf eine Handvoll
Erde auf das Wasser, da teilte es sich, und es trat
die trockene Erde mit Wäldern, Feldern und Wiesen
hervor. Als der Teufel dies sah, wunderte er
sich darüber, woher das alles kam. Gott fuhr dahin
und warf von seinem Boot aus den Samen aus
wie aus einem Sätuch. Als der Teufel das sah,
dachte er: Das wäre etwas, wenn ich diesen Samen
bekommen könnte! Dann würde ich alles
besser einrichten als Gott, ich würde alles so einrichten,
daß selbst Luzifer neidisch ist. Gott erriet die Gedanken des Teufels und gestattete ihm, etwas
von dem Samen zu nehmen. Er wendete das
Boot schnell und fuhr den Teufel an. Der Teufel
krümmte sich, wollte tauchen, blieb aber mit dem
Schwanz hängen und drehte sich nun im Wasser
herum wie eine Kaulquappe. Da wendete Gott
wiederum, und der Kahn fuhr nun neben dem
Teufel her. Der Teufel krümmte sich, weil er von
Gottes Kahn in die Seite gestoßen worden war,
ergriff aber schnell eine Handvoll Samen aus dem
Kahn, und, damit Gott das nicht sehen und ihm
den Samen nicht wieder wegnehmen konnte,
stopfte er ihn schnell in den Mund und schluckte
ihn hinunter. Gott tat, als habe er nichts bemerkt,
und fuhr weiter.
Da freute sich der Teufel und schwamm schnell
fort. Auf einmal bemerkte er, daß sein Bauch wie
Hefe aufging und so stark schwoll, daß die Seiten
auseinandergingen. Der Bauch schwoll immer
mehr und mehr, bis der Teufel nicht mehr atmen
konnte. Da spie er den ganzen Samen aus, und
überall, wo er hinspie, entstanden Baumstümpfe
und Weidenbüsche. Der Teufel schleppte sich
durch das Wasser und spie so heftig, daß es ihm
fast den Magen heraushob. So wurden es immer
mehr Weidenruten auf dem Wasser, immer mehr
und mehr. Dem Teufel war furchtbar übel, er wollte
den ganzen Samen aus dem Bauch heraushaben,
und so lief er wie eine Spinne auf dem Wasser
hin und her und spuckte. Nach einiger Zeit
war das ganze Wasser mit Weiden bedeckt. Der
Teufel hielt sich an einer Rute fest und rülpste so stark, daß alle Samen aus dem Bauch ins Wasser
fielen und dort allerlei garstiges Unkraut entstand.
So besudelte der Teufel das reine Wasser und
machte es zu einem garstigen Teufelsmoor.
Als Gott sah, was der Teufel angerichtet hatte,
griff er sich an den Kopf. Was sollte er da tun,
was sollte er nur anfangen? Wie sollte er die Weiden
wegbringen? Denn wo eine Weide wächst, ist
sie nicht herauszukriegen. Da schickte Gott die
Sonne, um die Teufelsweiden zu verbrennen. Die
Sonne brannte hernieder, sie erwärmte das Wasser,
aber die Weiden – als wäre nichts gewesen –
wuchsen nur noch besser.
So verbreiteten sie sich im ganzen Moor. Als die
Sonne sah, daß sie nichts ausrichten konnte, hörte
sie auf zu scheinen und ging zu Gott, um sich
zu beschweren. Da befahl Gott dem Frost, die
garstigen Büsche auszurotten. Der Frost machte
sich an die Arbeit, knisterte und klirrte, ließ das
Wasser gefrieren, aber die Weiden trotzten ihm
wie Faschinen und warteten auf den Frühling. Was
der Frost auch immer tat, wie er die Weiden auch
immer bedrängte und frieren ließ, er erschöpfte
nur seine Kräfte. Da ging er zu Gott und beschwerte
sich.
Gott überlegte und überlegte und befahl
schließlich, daß man die Weiden weiterwachsen
lassen sollte, denn es ist ja bekannt, daß im
Kampf gegen das Schlechte auch das Gute meist
mit umkommt!
So wuchsen die Weiden und bedeckten nicht
nur das Moor, sondern auch die Felder. Als der Mensch die vielen Weiden sah, dachte er bei sich:
Sollte man denn nicht auch aus der Weide irgend
etwas Nützliches machen können? Da ging der
Mensch in das Teufelsmoor, zog von der Weide
die Rinde ab, machte Stricke daraus und sang ein
Lied dabei.
Als der Teufel dies sah, erschrak er. Er trat zu
dem Menschen und fragte: „Was machst du da,
Mensch?“
„Du hast wohl keine Augen, um es zu sehen?“
antwortete der Mensch.
„Sehen kann ich schon gut, aber ich weiß nicht,
warum du das machst.“
„Komm, ich zeige es dir!“
Der Mensch packte den Teufel und band ihn an
eine dicke Eiche. „So“, sagte er, „jetzt werde ich
dich verschneiden.“
Da erschrak der Teufel und riß an den Stricken,
bis er die Eiche mitsamt den Wurzeln herausgerissen
hatte und mit ihr fortlief. Er lief über das
Moor, und die Eiche schlug mit ihren Wurzeln und
Ästen auf die Erde, so daß lauter Schluchten und
tiefe Gräben entstanden. Der Mensch aber saß auf
den Wurzeln der Eiche und schrie dem Teufel zu:
„Links entlang, rechts entlang!“ Der Teufel lief
und lief und grub dabei das ganze Moor um.
Und seitdem gibt es bis heute im Moor Hohlwege,
kleine Seen und Wasserlöcher. Lange lief der
Teufel so umher, bis er sich von den Stricken befreit
hatte; und als er sich dann davonmachte, da
wußte er, wohin.
Der Mensch blieb zurück und machte sich das
Teufelsmoor zunutze. Er rupfte die Weide, stellte
Schuhe aus dem Bast her, beseitigte das Gestrüpp,
baute mitten im Wald Häuser und pflügte
das Feld. Aber bis heute kommt er mit den Teufelsstümpfen
nicht zurecht. Wenn er einen rodet,
entstehen zehn neue.
Und so ist das Teufelsmoor bis zum heutigen
Tage ein Teufelsmoor.
Das Teufelsmoor
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