Borys, der Sohn von Dreien

Es waren einmal ein Mann und eine Frau. Eines schönen Sommertages gingen sie aufs Feld mähen und nahmen ihr Wickelkind mit. Während sie arbeiteten, hing die Wiege an einem der Bäume am Waldrand. Plötzlich kam ein Adler geflogen und ergriff das Kind. In seinen Fängen trug er es davon und legte es in sein Nest. In dem Wald aber, wo der Adler sein Nest hatte, lebten drei Brüder – ein jeder für sich allein. Als einer der Brüder aus seiner Hütte trat, drang auf einmal ein Schrei an sein Ohr. Er ging zu seinen beiden Brüdern und sprach:
„Brüder, irgend jemand schreit. Es scheint eine Kinderstimme zu sein. Laßt uns nachsehen.“
Sie gingen also der Stimme nach und fanden jenes kleine Wickelkind ein Bübchen, und trugen es nach Hause. Nim berieten sie sich, wie sie es nennen sollten. Da sie drei Brüder waren, nannten sie es Borys, Sohn von Dreien. Sie nahmen das Kind in ihre Obhut und zogen es groß. Als es zu einem Jüngling herangewachsen war, sprach dieser zu den drei Vätern.
„Ich möchte Euch, liebe Väter, nun verlassen und in die Welt hinausziehen.“
Da fragten sie:
„Was sollen wir dir dafür geben, daß du uns bei der Arbeit geholfen hast?“
„Ich bitte um nichts“, entgegnete der Jüngling, „gebt mir ‚nur das Rößlein.“
„Was kannst du schon, lieber Sohn, mit dem kleinen Rößlein anfangen? Willst du dir nicht mehr erbitten?“
„Nein“, versetzte er, „ich möchte nur das kleine Rößlein!“ „Nun gut, so nimm es!“
Er nahm das Rößlein und zog seiner Wege. Wie er so durch den Wald ging, sah er auf einmal in der Ferne etwas schimmern und flimmern. Da wollte der Jüngling nachsehen, was die Ursache dieses Glanzes war.
Weil er aber die ganze Zeit zu Fuß gewandert und schon sehr müde war, sprach er zu dem Rößlein:
„Oh, liebes Rößlein, wenn du nur schon etwas großer warst und mich ein klein wenig tragen könntest!“
„rAch-ach, lieber Borys, hab nur noch ein wenig Geduld“ erwiderte das Rößlein. „Ich werde es dir sagen, wann du auf mir reiten kannst.“
So erreichten sie zu Fuß die Stelle, woher der Glanz kam. Und siehe, es war eine Feder des Vogels Phönix, die im Grase lag. Da sprach Borys:
„Ich werde diese Feder mitnehmen.“
„Nein“, versetzte das Rößlein, „nimm sie lieber nicht. Das ist keine gewöhnliche Feder, sondern eine Zauberfeder. Wenn du sie aufliebst, wird sie dir großen Kummer bringen.“
Allein der Jüngling nahm sie doch. Sie gingen weiter und erreichten den Palast eines Königs. Dort verdingte sich Borys als Pferdeknecht. Seine Arbeit bestand darin, die Pferde zu putzen. Am Hofe dieses Königs putzte man die Pferde in der Nacht. Borys übergab man die Pferde, die zur Müllabfuhr benutzt wurden. Er putzte sie aber mit der Feder des Phönix so blank, daß ihr Fell wie Seide glänzte. Jedermann wunderte sich darüber. Sogar dem König gefielen seine eigenen prachtvollen Pferde nicht mehr. Er wollte nur noch jene reiten, die den Müll abfuhren. Der König gewährte nun Borys so manche Gunst, begann ihn aber zugleich auszuforschen:
„Sicher hast du“, sprach er, „irgendein besonderes Mittel zum Putzen der Pferde. Wie könnten die Pferde sonst so schön werden!“
Borys aber schwur, er besäße kein besonderes Mittel. Die anderen Pferdeknechte jedoch begannen ihn nun zu beobachten und hinterbrachten schließlich dem König, daß Borys eine Feder des Vogels Phönix besitze. Um ihn zu vernichten, sagten die neidischen Knechte:
„Wenn es ihm gelungen ist, eine Feder des Phönix in seinen Besitz zu bringen, kann er gewiß auch den Phönix einfangen.“ Da befahl der König Borys zu sich und sprach:
„Sage, ist es wahr, daß eine Feder des Vogels Phönix in deinem Besitz ist?“
„Ja, es ist wahr“, erwiderte Borys.
„Wenn dem so ist, dann fange auch den Vogel Phönix und bringe ihn mir. Fängst du ihn aber nicht, hast du dein Leben verwirkt.“
Borys ging zu seinem Rößlein und weinte:
„Warum weinst du, Borys, Sohn von Dreien?“ fragte das Rößlein.
„Kann ich denn anders als weinen? Der König stellte mir eine Aufgabe, die weder ich noch du zu lösen imstande sind!“
„Habe ich dich nicht gewarnt!“ sprach da das Rößlein. „Sagte ich dir nicht, du sollst die Phönixfeder nicht nehmen. Doch du hörtest nicht auf mich. Allein sei nicht mehr betrübt. Gehe zum König und sage ihm, du brauchtest drei Eimer von dem besten Schnaps, und dazu solle er dir auch noch drei Eimer Erbsen geben. All das aber gießt du in eine Grube unweit der Stadt.“
Borys ging sogleich zum König und sagte diesem, was ihn das Rößlein geheißen. Der König gab alles gern. Nun ging Borys aufs offene Feld und hob eine tiefe Grube aus. Der König aber hatte Borys vier Männer mitgegeben, die bei der Arbeit halfen. Sie schütteten die Erbsen in die Grube und gossen den Schnaps hinein. Bald kam wirklich der Vogel Phönix angeflogen, aß sich satt und trank sich voll. Nun sprach das Rößlein:
„Gib acht, Borys! Sobald der Vogel betrunken umfällt, die Beinchen nach oben streckt und zu zittern beginnt, mußt du ihn packen!“
Wie das Rößlein es vorausgesagt, so geschah es. Borys packte den Phönix. Da rief der Vogel:
„Weis deine Hände jetzt erraffen, ward nicht für dich erschaffen.“
Ohne auf diese Worte des Vogels zu achten, brachte Borys den Phönix zum König. Der König freute sich so sehr, daß er gar nicht wußte, was er Borys alles gewähren, wie er ihn schätzen und ehren sollte. Kurz, er belohnte ihn überaus reich.
Von allen Leuten am Hofe liebte der König nun keinen so sehr wie Borys. Die anderen aber versuchten, Borys Schaden zuzufügen, haßten ihn und schwärzten ihn bei dem König an: „Was hat es diesem Borys schon für Mühe bereitet, den Phönix einzufangen! Wenn er nur wollte, könnte er dir auch die wunderschöne Meeresjungfrau bringen!“
Da befahl der König Borys zu sich:
„Es gelang dir“, sprach er, „den Vogel Phönix einzufangen; nun aber erringe auch die wunderschöne Meeresjungfrau und bringe sie mir. Erringst du sie nicht, hast du dein Leben verwirkt.“
Da ging Borys zu seinem Rößlein und weinte.
Das Rößlein fragte:
„Warum weinst du, Borys, Sohn von Dreien?“
„Kann ich denn anders als weinen? Der König stellte mir eine Aufgabe, die weder ich noch du zu lösen imstande sind!“ „Was hat er von dir verlangt?“
„Er befahl mir, ihm die Meeresjungfrau zu bringen.“
„Da haben wir’s! Sagte ich dir nicht, laß die Phönixfeder liegen? Doch du hörtest nicht auf mich. Allein sei nicht mehr betrübt! Geh zum König und sage ihm, er solle dir Netze mit Spiegeln geben und tausend Kleider und eine große Kiste dazu. Alles weitere sage ich dir noch.“
Borys begab sich zum König, und dieser ließ ihm das Gewünschte aushändigen. Nim machte er sich mit dem Rößlein auf den Weg zum Meer, stellte auf dessen Geheiß die Spiegel rund um das Meer und hängte daneben die Kleider auf. Da tauchte Nastasja, die wunderschöne Meeresjungfrau empor, probierte alle Kleider an, stellte sich vor jeden Spiegel hin und bewunderte sich.
„Ach, wie schön ich bin!“
Endlich probierte sie das letzte Kleid an. Da packte sie Borys. Die Meeresjungfrau aber rief:
„Ach Borys, Sohn von Dreien! Gib mir die Freiheit wieder. Reich werde ich dich dafür belohnen. Meinen Verlobungsring gebe ich dir, der wird dir großes Glück bringen.“
Allein er gab ihr die Freiheit nicht zurück. Da zerriß sie ihre zwölf Perlenketten und warf die Perlen ins Meer. Borys aber brachte die Jungfrau in das Königsschloß, der König belohnte ihn großzügig und war hocherfreut. Abermals bewunderten und beneideten alle den Jüngling, erneut versuchte man, ihm Schaden zuzufügen. Doch vergebens lagen die Höflinge dem König in den Ohren, daß Borys noch mehr tim könne, da er alles wisse, was in der Welt vorgehe. Der König hielt weiter an seiner Freundschaft zu Borys fest. Nastasja aber, die Meeresjungfrau, sprach zu Borys:
„Es ist dir gelungen, den Phönix und mich, die Meeresjungfrau, zu fangen. Nun aber hole mir meine zwölf Perlenketten aus dem Meer!“
Als der König das hörte, sprach auch er:
„Holst du sie nicht, hast du dein Leben verwirkt!“
Wieder kam Borys zu seinem Rößlein und weinte. Das Rößlein fragte:
„Warum weinst du, Borys, Sohn von Dreien?“
„Kann ich denn anders als weinen? Der König stellte mir eine Aufgabe, die weder ich noch du zu lösen imstande sind.“
„Wie lautet die Aufgabe?“
„Ich soll die zwölf Perlenketten, die Nastasja zerriß, aus dem Meere holen.“
„Gehe zum König“, sprach das Rößlein, „und sage ihm, er solle dir hundert Faß Rindfleisch geben und hunderttausend Mann zur Verfügung stellen.“
Der König gab ihm das Gewünschte. Da sprach das Rößlein zu Borys:
„Nun höre gut zu! Kommst du ans Meer, so lege das Rindfleisch rund um das Meer… Wenn nun die Krebse aus dem Meere kriechen, um das Fleisch zu fressen, dann packe den weißen Krebs. Es ist ihr König! Sie werden dich anflehen, ihnen den König zurückzugeben. Du aber gib ihn nicht eher zurück, als bis dir die Krebse alle Perlen aus dem Meer geholt haben.“ Borys tat alles so, wie ihm das Rößlein geheißen. Sobald die Krebse angekrochen kamen, packte er sogleich den weißen Krebs. Da weinten und flehten die Krebse:
„Wir werden alles, was du wünschst, für dich tun! Nur gib uns unseren König zurück!
Da sagte Borys:
„Wenn ihr mir die im Meer versunkenen Perlen der Meeresjungfrau holt, lasse ich euren König frei!“
Rasch machten sich die Krebse ans Suchen. Und es dauerte nicht lange, da hatten sie alle Perlen gefunden. Borys wollte schon den weißen Krebs freilassen, da rief das Rößlein:
„Nein, laß ihn nicht frei! Es fehlt noch eine kleine Perle!“ Wieder begannen die Krebse zu stöbern und zu suchen und holten endlich einen Hecht aus dem Meer hervor; der hatte die kleine Perle verschluckt. Als Boiys ihm den Bauch aufschnitt, fand er darin die Perle. Nun erst ließ er den weißen Krebs frei. Er brachte die Perlen dem König, und wiederum wunderte sich jedermann. Bald darauf aber sprach Nastasja zum König:
„Schicke ihn zur Sonne! Sie soll ihm sagen, warum sie einst am frühen Morgen rot aufgegangen ist, jetzt aber spät und weiß aufgeht!“
Borys ging sogleich zu seinem Rößlein, erzählte diesem alles und weinte bitterlich.
„Weine nicht“, sagte das Rößlein. „Sei nicht mehr betrübt! Der König hat dir schon viel schwierigere Aufgaben gestellt, und doch wußten wir uns zu helfen. Mache dich nur getrost auf den Weg zur Sonne.“
Da machte sich Borys auf den Weg. Wie er nun so dahin- ging, sah er, wie Männer einen Garten bewachten. Diese fragten ihn:
„Wohin des Wegs?“
„Ich gehe“, sprach er, „die Sonne fragen, warum sie einst am frühen Morgen rot aufgegangen ist, jetzt aber später und weiß aufgeht.“
„Dann erzähle ihr auch von uns“, sprachen sie, „und frage sie, warum dieser Garten einst blühte und die ganze Welt ernährte, nun aber nicht einmal mehr seine Wächter ernähren kann.“
„Gut, ich werde es nicht vergessen.“
Wie er so weiterging, sah er zwei gefesselte Soldaten stehen. Die fragten ihn:
„Wohin des Wegs?“
„Ich gehe“, erwiderte Borys, „die Sonne fragen, warum sie am frühen Morgen rot aufgegangen ist, jetzt aber spät und weiß aufgeht.“
„Dann erzähle ihr auch von uns und frage sie, wie lange wir noch diese Fesseln tragen müssen.“
Und wie er so weiter seines Weges dahinzog, sah er, daß ein Mann und eine Frau ein Paar Tauben auf einer Eiche jagten. Auch sie fragten ihn, wohin er gehe, und er erzählte es ihnen.
„So berichte ihr auch von uns“, sprachen sie, „und frage sie, wie lange wir noch nach diesen Tauben jagen werden.“ „Gut, ich werde daran denken.“
Und wie er so weiter und weiter ging, sah er, wie an zwei Brunnen eine Frau das Wasser aus einem Brunnen in den anderen goß.
„Wohin des Wegs?“
Er erzählte es ihr.
„So sprich auch von mir, und frage die Sonne, wie lange ich noch das Wasser aus einem Brunnen in den anderen gießen werde.“
Borys versprach, es nicht zu vergessen.
Und wieder hatte er ein Stück Weges zurückgelegt, da sah er einen riesigen Walfisch am Wege liegen. Die Menschen fuhren über ihn hinweg, so daß er wie ein ausgefahrener Weg aussah. Sogar die Rippen waren bereits zu sehen. Der Wal war durstig, aber niemand gab ihm Wasser. Als er Borys erblickte, fragte er ihn:
„Wohin des Wegs?“
Nachdem Borys es ihm erzählt hatte, bat der Wal:
„So berichte ihr auch von mir, und frage sie, wie lange ich noch erdulden muß, daß die Menschen über mich gehen und hinwegfahren.“
„Gut, ich vergesse es nicht.“
Unverdrossen wanderte Borys weiter. Eines Tages sah er auf einmal in der Feme eine Hütte. Gegen Abend erreichte er die Hütte und trat ein. Drinnen aber saß ein uraltes Weib, das war die Mutter der Sonne.
„Was führt dich hierher, Borys, Sohn von Dreien?“ fragte das alte Weib.
„Ich will die Sonne fragen, warum sie einst am frühen Morgen rot aufgegangen ist, jetzt aber spät und weiß aufgeht.“ „Ich bin die Mutter der Sonne“, sprach das Weib.
Da erzählte er ihr alles, was er auf seinem langen Weg erlebt hatte.
„Ich sah“, sprach er, „einen großen Garten, der einst in voller Blüte stand. Früher machte er jedermann im ganzen Land satt. Nun aber kann er nicht einmal mehr die Wächter ernähren. Nachdem ich zwei gefesselten Soldaten begegnete, sah ich einen Mann und eine Frau, die auf einer Eiche nach Tauben jagten; allein sie konnten sie nicht erwischen. Eine andere Frau goß das Wasser aus einem Brunnen in einen zweiten, doch das Wasser ward nicht weniger. Danach sah ich einen Walfisch liegen. Die Menschen gingen und fuhren über ihn hinweg, so daß seine Rippen bereits zu sehen waren. Doch gaben sie ihm trotz seines Flehens nichts zu trinken.“
Das alte Weib setzte Borys ein Abendbrot vor, und bald darauf kam auch die Sonne nach Hause. Rasch versteckte das uralte Weib Borys. Dann legte man sich schlafen. In aller Frühe erhoben sich die Sonne und ihre Mutter. Die Mutter der Sonne sagte:
„Weißt du, Töchterchen, wovon mir träumte?“
„Was war es denn, Mütterchen?“
„Mir träumte von einem großen Garten. Als er noch in Blüte stand, machte er jedermann im Land satt. Nun aber kann er nicht einmal mehr die Wächter ernähren.“
„Aber liebe Mutter, diesen großen Garten gibt es! Dort hat man einst geraubtes Geld vergraben. Er wird erst wieder neu erblühen, wenn man dieses Geld ausgräbt.“
„Mir träumte noch etwas, Töchterchen!“
„Was war es denn, Mütterchen?“
„Irgendwo standen zwei gefesselte Soldaten.“
„Die gibt es tatsächlich! Gäben sie jenes Geld, das im Garten vergraben liegt, den Armen, so könnten sie von ihren Fesseln erlöst werden.“
„Mir träumte noch etwas, Töchterchen!“
„Und was weit es diesmal?“
„Ein Mann und eine Frau jagten nach ein Paar Tauben auf einer Eiche und konnten sie nicht erwischen.“
„Na so etwas, die gibt es wirklich. Sie müssen jagen, solange ich die Welt erhelle. Als sie jung waren, sind ihre zwei Kinder durch ihre Schuld ums Leben gekommen.“
„Mir träumte noch etwas Töchterchen!“
„Was denn?“
„Irgendwo lebt eine Frau, die vergebens das Wasser aus einem Brunnen in einen anderen gießt; aber das Wasser wird nicht weniger.“
„Es gibt wirklich eine solche Frau. Sie büßt ihre schwere Schuld und wird weiter gießen müssen, solange ich die Welt erhelle. Als sie jung war, arbeitete sie als Schankmädchen und goß einem zuviel und einem anderen zuwenig ein.“
„Und denk dir doch, was mir sonst noch träumte, Töchterchen!“
„Nun, erzähle es mir!“
„Ich sah einen Walfisch liegen, und die Menschen fuhren über ihn hinweg.“
„Auch das ist wahr. Würde er das Schiff voller Menschen ausspeien, das er einst verschluckt hat, könnte er ins Meer zurückkehren.“
„Noch etwas träumte mir, Töchterchen!“
„Was denn, Mütterchen?“
„Es träumte mir, daß du einst am frühen Morgen und rot aufgegangen bist, nun aber gehst du spät und weiß auf.“
„Nun, so will ich dir auch das erzählen. Als mein Liebster im Meer badete und herauskam, übergoß mich Schamröte. Deshalb ging ich am frühen Morgen und rot auf. Nun aber habe ich keinen Liebsten mehr. Darum geh ich spät und weiß auf.“
Die Sonne wunderte sich sehr, daß die Mutter von den Vorgängen in der Welt geträumt hatte. Alles, was sie ihr gesagt hatte, schrieb sie auf einen Zettel und gab ihn der Mutter. Dann machte sie sich auf den Weg. Die Mutter aber setzte Borys ein Frühstück vor und gab ihm den Zettel.
Nun kehrte er nach Hause zurück. Auf dem Wege lag immer noch der Walfisch..
„Hast du von mir erzählt?“
‚ „Die Sonne sagte“, erwiderte Borys, „wenn du bereit bist, das Schiff auszuspeien, darfst du wieder ins Meer zurückkehren.“
Da spie der Walfisch das Schiff mit solcher Kraft aus, daß die Welt erzitterte.
Borys aber setzte seinen Weg fort. Er kam zu jener Frau mit den zwei Brunnen.
„Hast du von mir erzählt?“
„Ja! Die Sonne sagte: Solange ich die Welt erhelle, wird sie weiter gießen müssen.“
„Dann brauche ich mich nicht mehr zu sputen“, erwiderte die Frau.
Und er ging weiter. Schließlich kam er zu dem Mann und der Frau, die noch immer nach den Tauben jagten. Sogleich fragten sie den Jüngling:
„Hast du von uns erzählt?“
„Aber gewiß! Die Sonne sagte: Solange ich die Welt erhelle, werden die beiden weiter nach den Tauben jagen.“
„Dann beeilen wir uns nicht mehr; denn bisher dachten wir: Noch ein wenig Geduld, und schon werden wir die Tauben erwischen.“
Borys setzte seinen Weg fort und kam zu den beiden Soldaten, die ihn ebenfalls fragten:
„Nun, hast du von uns erzählt?“
„Ich vergaß euch nicht. Die Sonne sagte: Wenn ihr den Armen das Geld gebt, das im Garten liegt, so werdet ihr eurer Fesseln ledig sein.“
Die Soldaten versprachen, das Geld zu verteilen, und wurden sogleich von ihren Fesseln befreit.
Borys aber ging weiter. Er kam zu den Männern,.die den Garten bewachten. Diese fragten ihn:
„Hast du von uns erzählt?“
„Ei gewiß! Die Sonne sagte: Wenn ihr das im Garten versteckte Geld ausgrabt, wird der Garten wieder neu erblühen.“
Die Wächter gruben das Geld aus, und der Garten erblühte.
Schließlich gelangte Borys zu dem Palast des Königs.
Er erzählte dem König, was er gesehen und erlebt hatte, und gab ihm auch den Zettel der Sonne. Der König freute sich über alle Maßen, belohnte ihn reich, schenkte ihm sein halbes Königreich, und sie lebten fortan zusammen wie Brüder.

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